Albert Ottenheimer, Kölner Bürger
Kaiser-Wilhelm-Ring 1: eine der vornehmen Adressen der 20er und 30er Jahre in Köln. Hier lag der Firmensitz des jüdischen Eisen- und Stahlgroßhändlers Albert Ottenheimer, bis er das hochherrschaftliche Haus unter Zwang verkaufen musste. Später wurde das Gebäude durch Bomben zerstört. Auch die Adresse gibt es nicht mehr, sie wurde nach dem Krieg umbenannt. Bis heute ist wenig bekannt über das Schicksal des bedeutenden Kölner Unternehmers. Wohl nicht ohne Grund – denn sein millionenschweres Vermögen landete in den Taschen seiner nichtjüdischen Mitbürger.
Kauf vom »Abwesenheitspfleger«
Eines der ehemaligen Grundstücke Ottenheimers sorgte allerdings kürzlich für heftige Diskussionen: Der Spiegel hatte berichtet, dass die Kölner Verlegerfamilie Neven DuMont von der »Enteigung ihrer jüdischen Nachbarn« profitiert habe und erwähnte in diesem Zusammenhang ein Grundstück im Kölner Villenvorort Marienburg. Gabriele Neven DuMont, die Ehefrau des damaligen Verlagschefs Kurt, kaufte die Immobilie im Oktober 1941 von einem so genannten »Abwesenheitspfleger« Ottenheimers, den die Nazis eingesetzt hatten – Ottenheimer selbst war zu diesem Zeitpunkt bereits aus Deutschland geflohen.
Kurt Neven DuMont stellte in seinem Entnazifizierungs-Fragebogen im Juli 1945 den Verkauf als normales Geschäft dar: »Erst durch die Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25.11.1942 ist das Vermögen des Herren Ottenheimer dem Reich verfallen«, argumentierte er. Die Militärregierung zeigte sich aber unbeeindruckt und ließ am 5.9.1946 einen Sperrvermerk für das Grundstück eintragen. Ein Rückerstattungsanspruch wurde für Ottenheimer im April 1950 beim Wiedergutmachungsamt des Landgerichtes Köln angemeldet. Eine Einigung konnte DuMont schließlich dadurch erzielen, dass er an Ottenheimer 10.000 Mark zahlte. Der Rückerstattungsanspruch wurde zurückgenommen.
Stahlhelme für die Wehrmacht
Ottenheimer war ein erfolgreicher Unternehmer und angesehener Bürger Kölns. 1910, mit 24 Jahren, hatte er einen Eisengroßhandel in Köln gegründet und unterhielt bereits Mitte der 20er Jahre Niederlassungen in ganz Deutschland sowie eine Großhandelsfirma in Amsterdam. Ottenheimer war auch als Sammler moderner Kunst bekannt, er saß im Vorstand des Kölnischen Kunstvereins und stiftete dem Wallraf-Richartz-Museum eine Reihe von wertvollen Gemälden.
Neben seinem eigenen Unternehmen besaß Ottenheimer zahlreiche Firmenbeteiligungen an kriegswichtigen deutschen Großunternehmen. Noch 1937 gehörte ihm fast die Hälfte aller Anteile an der Eisenhüttenwerke Thale AG. Das Werk im östlichen Harz produzierte Millionen von Stahlhelmen für die Wehrmacht sowie Seeminen und Torpedohüllen. So profitierte der jüdische Unternehmer auch von der extensiven Aufrüstungspolitik der Nazis. Reichswirtschaftsminister Hermann Göring übermittelte 1936 anlässlich eines Firmenjubiläums des Eisenhüttenwerkes »herzliche Grüße für die gesamte Gefolgschaft und beste Wünsche für eine weitere erfolgreiche Entwicklung zum Wohle des Vaterlandes«. Über 10.000 Menschen arbeiteten in den Unternehmen, an denen Ottenheimer beteiligt war, sein Vermögen betrug 1937 mehr als zehn Millionen Reichsmark.
Zustimmung nur unter Druck
Doch als Jude war Ottenheimer auch immer wieder den Übergriffen der braunen Machthaber ausgesetzt. So berichtete Ottenheimers ehemaliger Berater und Anwalt Bruno Potthast nach dem Krieg, dass Anfang 1933 zwei Beamte der Devisenstelle mit drei bewaffneten Polizisten im Geschäftshaus am Kaiser-Wilhelm-Ring erschienen. Unter Androhung von Gewalt drängten die Beamten Ottenheimer zum Verkauf von 500 Kilogramm Feingold an die Reichsbank Berlin. Er selber erhielt lediglich fünf Prozent erstattet. Ein Jahr später wurde Ottenheimer von der Gestapo wegen eines angeblichen Wirtschaftsdeliktes verhaftet und in Schutzhaft genommen. Erst nach Zahlung von 200.000 Reichsmark gelangte er auf freien Fuß.
Anfang 1937 musste Ottenheimer seine Aktien der Thale AG veräußern. Rechtsanwalt Potthast schildert, dass die Aktien
über die Dresdner Bank an den Otto-Wolff-Konzern weitergereicht wurden. Der Kölner Unternehmer Otto Wolff war ein wichtiger Konkurrent von Ottenheimer im Eisen- und Stahlhandel und übernahm das Aktienpaket zu einem Bruchteil des tatsächlichen Verkehrswertes. Ottenheimer stimmte dem Geschäft nur unter Druck zu. Die als Kaufpreis gezahlten Aktien der Vereinten Stahlwerke blieben aber auch nicht lange in seinem Besitz: »Kurz nach dem Verkauf der Thale-Aktien ruft, als Ottenheimer sich gerade in München befindet, sein Angestellter Meyer an und sagt ihm, dass ein Regierungsrat neben ihm stehe mit einem Pfändungsbeschluss für rund 1,5 Millionen Reichsfluchtsteuer. Daraufhin sind beim Kontor der Reichsbank für Wertpapiere Aktien der Vereinigten Stahlwerke im Wege der Pfändung auf das Reich übertragen worden«, schildert Potthast später vor Gericht.
»In ihren Verkaufsentschlüssen nicht frei«
Albert Ottenheimer hatte zuvor beschlossen, Deutschland zu verlassen. Im Juli 1937 ließen die Nazis einige der Kunstwerke, die er Kölner Museen gestiftet hatte, als »entartete Kunst« entfernen. Im November 1937 gab er seine Geschäfte auf und flüchtete in die Schweiz. Im Exil war Ottenheimer gezwungen, sein noch in Deutschland zurückgelassenes Vermögen zu veräußern. So musste er auch seinen umfangreichen Immobilienbesitz verkaufen. Neue Eigentümer waren angesehene Bürger und Firmen, darunter auch die Familie Neven DuMont. Die Verlegerfamilie wehrt sich heute vehement gegen den Vorwurf, »zu den Profiteuren der Arisierung« gehört zu haben und beauftragte kürzlich den Wirtschaftshistoriker Manfred Pohl, die Geschichte des Verlagshauses im Dritten Reich aufzuarbeiten.
Dass der jüdische Unternehmer Ottenheimer aber keineswegs freiwillig sein Vermögen veräußerte, zeigt auch ein Beschluss der 1. Wiedergutmachungskammer des Landegerichtes Köln vom 4. März 1952: Ottenheimer hatte im September 1938 aus seinem Schweizer Exil heraus eine Villa in Köln-Lindenthal an einen Wirtschaftstreuhänder veräußert und nach dem Krieg auf Rückerstattung geklagt. Das Gericht gab Ottenheimer Recht: »Der Antragsteller (Ottenheimer), der ein sehr vermögender Mann war (...), hatte schon mit erheblichen Verlusten Deutschland verlassen und musste mit Recht befürchten, dass sein in Deutschland noch verbliebenes Vermögen über kurz oder lang dem Zugriff der antisemitischen Regierung verfiel. Es ist auch in der Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass auch die ausgewanderten deutschen Juden bei der Veräußerung ihres inländischen Vermögens (...) wegen des befürchteten Zugriffs auf das zurückgelassene Vermögen in ihren Verkaufsentschlüssen nicht frei waren.«
Kanada und USA
Über Jahrzehnte beschäftigte sich die deutsche Justiz mit den rund dreißig Rückerstattungsansprüchen, die Ottenheimer nach Ende des Krieges gegen das Deutsche Reich und Unternehmen wie die Firma Otto Wolff angemeldet hatte. Letztlich erhielt er aber nur einen Bruchteil seines tatsächlichen Vermögens erstattet. In den Verfahren bestritten die Beklagten teilweise sogar, dass Ottenheimer als Jude überhaupt verfolgt wurde. So führte die Oberfinanzdirektion Köln im Dezember 1953 vor Gericht aus: »Wo keine rassische Verfolgung vorliegt, kann sie auch von dem besten Anwalt nicht dargetan werden.«
Ottenheimer selbst war bereits Anfang der 40er Jahre über Kanada in die USA ausgewandert und hatte den Namen Albert Otten angenommen. Bis Ende der 50er Jahre betrieb er ein Im- und Exportgeschäft für Roheisen und Stahl. Im September 1985 starb Albert Ottenheimer im Alter von 99 Jahren.
Sein Sohn Leslie Otten beschreibt ihn als gebrochenen Mann: »Er verbrachte die letzten Jahre seines Lebens im rastlosen Bestreben, das zurückzugewinnen, was er verloren hatte. Traurigerweise starb er, bevor er eine Wiedergutmachung für seine Thale-Aktien erhielt.«
Das Schicksal des bedeutenden jüdischen Unternehmers wird bis heute von denjenigen verschwiegen, die sich sein Vermögen aneigneten. So erschien unlängst im Auftrag der Otto-Wolff-Stiftung die Biografie »Otto Wolff. Ein Unternehmen zwischen Wirtschaft und Politik«. Auf den 558 Seiten des Buchs wird der Name Albert Ottenheimer nicht ein einziges Mal erwähnt.