Die Korruption aber bleibt
Die der Kölner Müllprozess auch ausgeht: Seine politische Bedeutung sinkt seit Beginn gegen Null. Daran hat eine große Koalition von Verantwortlichen lange mitgewirkt.
Zunächst die Landesregierung und der Städtetag von NRW: Eine Stunde, nachdem das Innenministerium im Juni 2003 den Bericht der so genannten Task force über Korruption beim Bau von Müllverbrennungsanlagen (MVA) ins Netz gestellt hatte, war er verschwunden. Alle Mitglieder der Task Force – ein unabhängiger Untersuchungsstab, dem u.a. Staatsanwälte, Wirtschaftskriminalisten und Steuerfahnder angehörten – haben seitdem Aussageverbot in der Öffentlichkeit. Nicht zuletzt der Städtetag mit dem Kölner OB Fritz Schramma hatte gegen die Untersuchung protestiert.
Das Justizministerium ist weisungsbefugt und müsste die Staatsanwaltschaften zu Ermittlungen in Wesel, Bielefeld usw. anhalten. Korruption ist ohnehin ein Offizialdelikt, d.h. die Justiz muss auch ohne Strafanzeige tätig werden. Doch es tut sich kaum etwas, außer in Köln und Bonn.
Das Kölner Verfahren wurde stückweise kleingearbeitet. Der Prozess gegen Karl Wienand, den obersten Korruptionsnetzwerker, wird wohl nie stattfinden – aus Gesundheitsgründen. Der vielfache SPD-Funktionär mit Wohnsitz im Rhein-Sieg-Kreis hatte Beraterverträge en masse, z.B. mit Thyssen, Steinmüller und Trienekens. Er hatte Beziehungen zur SPD-Landesregierung und den Kölner SPD-Größen Franz-Josef Antwerpes und Lothar Ruschmeier, er verschaffte seinen Auftraggebern den Zugang zur Kölner Politszene. Er organisierte mit Hellmut Trienekens für seinen Freund Michelfelder, den Steinmüller-Chef, den Fluss der 11 Millionen Euro Schmiergelder über Schweizer Tarnfirmen. Was könnte im Prozess alles herauskommen!
Im Fall Hellmut Trienekens erhob die Staatsanwaltschaft erst Anklage, nachdem Trienekens sein Unternehmen ganz an RWE verkauft hatte. Aber auch diese Anklage ist inzwischen zusammengeschrumpft. Sollte ein Prozess überhaupt stattfinden, wird er nicht um die Schmiergelder gehen – das sei für den Unternehmer zu anstrengend, ebenfalls aus Gesundheitsgründen. Deshalb ist Trienekens nur noch wegen Steuerhinterziehung angeklagt.
Die Ermittlungen gegen Ruschmeier, Antwerpes und Eisermann wegen betrügerischer Überdimensionierung der MVA hat die Staatsanwaltschaft im Januar 2004 eingestellt. Begründung: Es seien Reservekapazitäten nötig, deshalb sei die Anlage für die vom Rat beschlossenen 421.000 Tonnen nicht zu groß. Sogar das städtische Rechnungsprüfungsamt und die Task Force hatten die Übergröße festgestellt. Die Staatsanwälte stützten sich aber auf die Aussagen von Ruschmeier, Antwerpes und Eisermann. Wenn es mit der Reservekapazität so einfach wäre, warum war dann die so genannte Nachgenehmigung durch Antwerpes nach einem Jahr Betrieb auf 569.000 Tonnen nötig?
Der ehemalige Regierungspräsident Antwerpes konnte sich vor Gericht als Kabarettist produzieren (»Ich hatte mit der Genehmigung den meisten Ärger, und gerade ich habe kein Schmiergeld bekommen: wie ungerecht!«). Geläufig erzählte er von den Spenden, die Trienekens »überall im Lande verteilte«, und von den vielen Politikern, die er als Geschäftsführer in Tochterfirmen unterbrachte. Ebenso geläufig erzählte er von den vielen Beraterverträgen des Karl Wienand. Aber Antwerpes ließ alles geschehen. »Das ist Strafvereitelung im Amt, ein Straftatbestand«, stellen die Rats-Grünen in Bonn fest. Doch den Medienliebling nimmt sich kein Staatsanwalt vor.
Das Verwaltungsgericht Köln wies im Februar 2003 eine Klage wegen überhöhter Gebühren ab, die mit der Übergröße der MVA begründet war. Das Gericht stützte sich wieder nur auf die Aussagen der Vertreter der Abfallentsorgungs- und Verwertungsgesellschaft AVG Köln. Schramma und die Stadtverwaltung führten den Ratsbeschluss nicht aus, wonach ein Schlüssigkeitsgutachten zur Größe der MVA erstellt werden sollte. Begründung: »Es bestehen ernsthafte Zweifel, ob unabhängige Planer mit entsprechender Qualifikation im Hinblick auf die Verflechtungen in der Abfallwirtschaft gefunden werden können.« Die Korruption im Müllgeschäft als Grund dafür, dass man nichts mehr korrigieren kann.
Mieter und Hausbesitzer bezahlen die Überdimensionierung der MVA seit Jahren mit Gebührensprüngen im zweistelligen Prozentbereich. Um den Ofen zu füllen, wird Müll aus anderen Städten und aus Unternehmen herangekarrt, aber zum marktüblichen Preis, der nur etwa die Hälfte dessen beträgt, was die Privathaushalte bezahlen müssen. Denn es gibt ja noch weitere übergroße Öfen, die alle – von den selben Beteiligten gebaut und vom selben Regierungspräsidenten genehmigt – um jede Tonne konkurrieren und sich gegenseitig unterbieten. Der Kölner Hausmüll wird ständig weniger, 2003 sank das Aufkommen um 13.000 Tonnen. Logische Konsequenz: Für 2005 hat die Verwaltung weitere Gebührensteigerungen angekündigt. Unklar ist nur, wie weit sie über zehn Prozent liegen.
Da sind die 30 Akten-Kisten, die die Kölner Staatsanwaltschaft dem Gericht vorenthalten hat, fast schon Peanuts. Einige Schmuddelkinder werden wie auch immer ein bisschen bestraft, die Korruption und ihre Folgen aber bleiben.