Pragmatismus statt Pathos: »Maidan«

Filmgeschichten: Revolution

Revolutionen stehen für Sehnsüchte und Schrecken gleichermaßen. Eine Filmreihe schaut, wie sie im Film inszeniert werden

Revolution — für die Allermeisten dürfte das eher ein Sehnsuchts- oder Schreckensbegriff sein, als etwas, womit sie eigene Erfahrungen verbinden. Weil Revolutionen öfter herbeigeträumt und ausgerufen, als tatsächlich realisiert werden, sind sie vielleicht ein bevorzugtes Objekt des Kinos. Denn das hat die Möglichkeit, den Umsturz aller Verhältnisse zumindest im Bild erfahrbar zu machen.

 

Die Reihe im Filmforum NRW mit zwölf Filmen zum Thema lässt sich weder geografisch noch historisch einschränken. Am Anfang steht, als einziger Stummfilm, ein zentrales Monument der politischen Kinoavantgarde: Sergej Eisensteins »Oktober« verwandelt die Oktoberrevolution anlässlich ihres zehnten Jahrestags in ein erhabenes Schnittgewitter. Kein anderer Film der Auswahl ist dermaßen von der Überzeugung durchwirkt, dass es tatsächlich möglich ist, mithilfe der Revolution eine neue Welt zu erschaffen.

 

Ein Schwerpunkt der Reihe bilden Klassiker des sogenannten »Dritten Kinos«: Im Gefolge der antikolonialen Kämpfe entstand vor allem in Lateinamerika ein neues, politisches Kino, das es sich zur Aufgabe machte, die Befreiungsbewegungen auch auf die Leinwand auszudehnen. Glauber Rochas »Land in Trance« ist einer der zentralen, aber auch ambivalentesten Filme dieser Tradition: Es geht um einen jungen brasilianischen Intellektuellen, der zwischen seiner bourgeoisen Herkunft und seinen revolutionären Idealen zerrieben wird. Gemeinsam mit der Hauptfigur verliert auch der zwischen Rausch und Albtraum hin und her pendelnde Film den Verstand.

 

Auch der Senegalese Ousmane Sembene darf zu den wichtigsten Vertretern des Dritten Kino gezählt werden. Sein Meisterwerk »Ceddo« hat jedoch einen komplett anderen Ansatz: Der Film geht nicht vom antikolonialen Kampf aus, sondern springt in die vorkoloniale Zeit zurück. Vermittels der Geschichte eines afrikanischen Dorfes, das den Versuch unternimmt, gleichzeitig gegen Zwangsislamisierung und europäische Sklavenhändler zu opponieren, untersucht Sembene die Bedingungen politischen Handelns.

 

Und wie steht es in der Gegenwart um die Kinorevolution? Sergei Losnitsa hat mit seinem Dokumentarfilm »Maidan« den Versuch unternommen, einen Revolutionsfilm zu drehen, der pathosfrei und doch mit den Revolutionären solidarisch ist. Sein Bericht über den Aufstand in der Ukraine ist über weite Strecken ein Katalog der logistischen Aspekte eines politischen Protests: Barrikaden werden errichtet, Transparente bemalt, Helfer versorgt. Ein Pragmatismus, der von Eistensteins Montageeuphorie kaum weiter entfernt
sein könnte.

 

Text: Do 16.3.– Mi 13.12., Filmforum im Museum Ludwig. Info: filmforumnrw.de