Potenzielle Mietpreisbremser: Jürgen Becher (links) und Hans Jörg Depel vom ­Mieterverein Köln, Foto: Dörthe Boxberg

»Mieter sind vorsichtig«

Die Mietpreisbremse soll seit zwei Jahren Verdrängung verhindern, die Mieten steigen trotzdem. Hans Jörg Depel und Jürgen Becher vom Mieter­verein Köln im Gespräch

Herr Depel, Herr Becher, die Mietpreisbremse steht in der Kritik. Ist sie das falsche Instrument für eine richtige Idee?

 

Hans Jörg Depel: Die Idee ist gut. Sie bedarf aber einer Novellierung. In ihrer jetzigen Ausführung ist die Mietpreisbremse ein stumpfes Schwert. Würde sie an den richtigen Stellen überarbeitet, könnte sie ein geeignetes Mittel sein, um Mieten zu regulieren.

 

Jürgen Becher: Bundesjustizminister Heiko Maaß hat seit über einem Jahr einen Referentenentwurf in der Schublade liegen, um entsprechend nachzubessern. Nur passiert ist nichts, weil sich CDU und SPD in der Sache nicht einig sind. Das wird auch in dieser Legislaturperiode nichts mehr. Unzweifelhaft ist aber: Die Mietpreisbremse muss verschärft werden.

 


Wo muss nachgebessert werden?

 

Depel: Nach der Mietpreisbremse darf die Miete nicht mehr als zehn Prozent über der sogenannten ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Eine Ausnahme ist die Bestandsmiete. Wenn der vorherige Mieter einen Betrag gezahlt hat, der oberhalb dieser zehn Prozent lag, kann der Vermieter weiterhin dieselbe Miete fordern.

 

Wie kann der Mieter herausfinden, dass sein Vermieter gegen die Mietpreisbremse verstößt?

 

Depel: Das ist das nächste Problem. Natürlich kann man vorab beim Vermieter nachfragen: Was hat der Vormieter gezahlt? Wie alt ist das Gebäude? Wie ist der Sanierungszustand? Wenn man auf einem Wohnungsmarkt wie dem in Köln aber eine Wohnung haben möchte und man unter 50 Bewerbern der eine ist, der solche Fragen stellt — dann nimmt der Vermieter einen der anderen 49.

 

Becher: Der Vermieter muss qua Gesetz dazu verpflichtet werden, die Karten auf den Tisch zu legen. Schon bei den Mietverhandlungen muss Transparenz über das Mietobjekt und die vorherige Miete herrschen. Und zwar ohne dass der Mieter nachfragen muss.

 

Was passiert bei einem Verstoß?

 

Depel: Der Mieter muss eine qualifizierte Rüge anmelden. Erst ab diesem Zeitpunkt kann er den korrekten Mietzins einfordern — nicht rückwirkend ab dem Zeitpunkt des Verstoßes. Alles, was vor der Rüge liegt, ist nichtig.

 

Becher: Zudem steht für den Vermieter kein Bußgeld im Raum. Auch das gehört geändert.

 

Unterschätzt das Gesetz die psychologischen und sozialen Aspekte in einem Mietverhältnis?

 

Becher: Definitiv. Wenn ich ein halbes Jahr nach einer geeigneten Wohnung gesucht habe und später feststelle, dass der Mietspiegel bei zehn Euro liegt, ich aber zwölf zahle, überlege ich mir zweimal, ob ich mit meinem Vermieter in den Clinch gehe. Der kann zwar nicht kündigen, wenn ich moniere, aber er hat mich vielleicht auf dem Kieker. Mieter sind vorsichtig.

 

Es gehen also nur wenige Mieter dagegen vor?

 

Depel: Wir hatten in zwei Jahren genau zwei Fälle, in denen Mieter einen Verstoß gegen die Mietpreisbremse beanstandet haben und in denen wir sogar zu einer einvernehmlichen Lösung gekommen sind. Wenn man das aber in Relation setzt zu 40.000 Beratungen, die wir jährlich leisten, liegt das im untersten Promillebereich.

 

Becher: Es gibt keine Nachfrage. Das ist in anderen Städten nicht anders. Das zeigt, dass das jetzige Gesetz nicht funktioniert.

 

Die Vermieterseite, etwa Haus & Grund, argumentiert, dass die Mietpreisbremse verminderte Renditen nach sich zöge — und deshalb weniger in den Wohnungsbau investiert würde.

 

Becher: Das sehe ich anders. Auch da greift eine Ausnahmeregelung: Bei einem Neubau ist man nicht an die Mietpreisbremse gebunden, sondern kann bei der Erstvermietung den Preis frei bestimmen. Die Mietpreisbremse hat bisher niemanden vom Bauen abgehalten. Auch wird argumentiert, dass das Mietrecht, etwa mit dem Kündigungsschutz oder der Kappungsgrenze für Mieterhöhungen, in Deutschland bereits sehr sozial sei.

 

Becher: Wir brauchen ein soziales Mietrecht, um die Position des Mieters zu stärken. Auch wenn ein Mietverhältnis über den Vertrag hinaus immer ein Geben und Nehmen ist. Vermieter wissen verlässliche Mieter zu schätzen — und quetschen nicht den letzten Pfennig aus ihnen heraus.

 

Depel: Es treten allerdings immer mehr abstrakte Institutionen auf Vermieterseite auf. Ein Investmentfonds ist viel weniger an einem einvernehmlichen Mietverhältnis interessiert — da wird bis zum Letzten ausgereizt.

 

Wie entwickelt sich der Mietmarkt in Köln derzeit?

 

Becher: Verdrängung gibt es nach wie vor. Und da sprechen wir nicht nur über das Paradebeispiel Ehrenfeld. Die Nachfrage verlagert sich längst über die Stadtgrenze hinaus, der Speckgürtel weitet sich. Das beobachten wir an den Mieten in Brühl, Düren oder Euskirchen. Die Innenstadt kann sich eine Familie mit zwei Kindern kaum leisten. Dort gibt es 70 Prozent Single-Haushalte. Und Kölns Einwohnerzahl wird weiter steigen.

 

Becher: Deshalb kann die Mietpreisbremse nur ein Instrument unter vielen sein. Es braucht Wohnungsbau und gerade sozialen Wohnungsbau, damit auch der Durchschnittsverdiener in der Stadt leben kann. Für Köln wird sich das Kooperative Baulandmodell in der Praxis beweisen müssen.

 

Der Mieterverein Köln ist mit mehr als 66.000 Mitgliedern und mehr als 40.000 persönlichen Beratungen jährlich der drittgrößte Mieterverein im Deutschen Mieterbund (DMB). Jürgen Becher ist Mitglied der Geschäftsführung und seit 1971 für den Mieterverein tätig, Hans Jörg Depel ist der Leiter der Rechtsabteilung.

 

Mit dem Mietrechtsnovellierungsgesetz führte die Bundesregierung im Frühjahr 2015 die Mietpreisbremse ein. Sie sollte in angespannten Wohnungsmärkten die Interessen von Vermietern stärken und Verdrängung verlangsamen. In Nordrhein-Westfalen trat die Mietpreisbremse zum Juli 2015 in 22 Städten, darunter Köln, in Kraft.