Pause machen is nich: Fahrradkurier-Demo am Rudolfplatz, Foto: Marcel Wurm

Liefergrenze überschritten

Der neue Betriebsrat bei Deliveroo kämpft für bessere Arbeit — und um die eigene Existenz

 

Was in anderen Städten nicht klappt, gelingt manchmal in Köln. Vor wenigen Wochen hat sich beim Essenskurierdienst Deliveroo ein Betriebsrat gegründet — kurz nach den Branchenkollegen von Foodora. »Es ist eine schwierige Beziehung«, sagt Orry Mittenmayer, frisch gewählter Betriebsrats-Vorsitzender. Deliveroo erfülle zwar seine Verpflichtungen dem Betriebsrat gegenüber, mit der Existenz eines Betriebsrats scheint sich das Unternehmen jedoch nicht abgefunden zu haben. »Wir fordern, dass die Verträge der Betriebsräte weiter verlängert werden«, sagt Mittenmayer.

 

Bei Deliveroo gibt es zwei Arten von Fahrern: Die einen arbeiten als Freiberufler, sie müssen sich selbst versichern und erhalten pro Lieferung fünf Euro. Die anderen sind festangestellt, krankenversichert und bekommen neun Euro Stundenlohn. Aus dieser Gruppe rekrutiert sich der Betriebsrat. Weil die Verträge aller Festangestellten jedoch auf sechs Monate befristet sind, droht den Betriebsratsmitgliedern regelmäßig der Jobverlust. Innerhalb weniger Monate sei die Zahl der Festangestellten auf unter 30 gesunken, so die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Die Deliveroo-Kuriere wehren sich mit rechtlichen Schritten: Im Mai wird die Klage einer Betriebsrätin vor dem Arbeitsgericht in Köln verhandelt — auch ihr Vertrag wurde nicht verlängert.

 

Keno Böhme kennt dieses Vorgehen. Er war bei der Gründung des Betriebsrats beteiligt und auch er stand bald ohne Arbeitsvertrag da. »Ich hatte schon die Betriebsratsgründung bei Foodora unterstützt und wusste, dass die Arbeitsbedingungen bei Deliveroo nicht besser sind«, sagt er; und erzählt von unfreundlichen Support-Mitarbeitern, einem schlampig programmierten Algorithmus und Druck des Unternehmens auf Kuriere, die sich krankmelden. Er habe einmal einen Verdienstausfall von 570 Euro erlitten, weil sein Fahrrad kaputt gegangen ist. »Die Verschleißkosten werden auf uns umgewältzt, inklusive Trinkgeld und der Verschleißpauschale musste ich auf die Hälfte meines Nettoverdiensts verzichten.«

 

Andere Kuriere müssen auch ohne defektes Rad ohne Lohn auskommen. »Mir sind mehrere Fahrer bekannt, die auf Lohn von Deliveroo warten. Dabei geht es um bis zu 4000 Euro«, berichtet Orty Mittenmayer. Ein Fahrer habe wegen der Rückstände fast seine Wohnung verloren. Auch hier seien Kölner Deliveroo-Kuriere vor Gericht gezogen, so Mittenmayer. »Deliveroo zahlt selbstverständlich für geleistete Arbeit«, kommentiert das Unternehmen, zu einzelnen Fällen wolle man sich nicht äußern. Der Deliveroo-Betriebsrat steht also vor großen Aufgaben. Die größte ist allerdings, die eigene Existenz zu sichern.