»Niemand will Macht abgeben«

Das Kölner Festival »tanz.tausch« will in der freien Tanzszene Kooperationen vorantreiben

 

Mechtild Tellmann kommt soeben von einer internationalen Tagung Freier Theater aus München. Ein Schwerpunktthema, berichtet sie im Gespräch mit der Stadtrevue, war ihre Berufsgruppe der »creative producers«. Seit zehn Jahren arbeitet sie in Köln und Bonn für freie Tanzensembles und kuratiert und organisiert seit 2011 mit ihrer Kollegin Alexandra Schmidt das Festival tanz.tausch. Anfang Dezember steigt die nächste Ausgabe. 

 

 

Was wissen Leute aus ferneren Gegenden über den Tanz in Köln?

 


Mechthild Tellmann: Viele orten uns erst in Düsseldorf. »Ach, gibt’s in Köln einen Ort für Tanz?« Dann erkläre ich: »Ja, kleinere Orte; und übrigens, es leben mehr Tanzschaffende in Köln als in Düsseldorf.« Ohne den zentralen Ort, mit dem man sich sichtbar profilieren kann, fehlt Köln auch den hier arbeitenden Künstlern die Strahlkraft. Wer es schafft, bekannter zu werden, hat Support — etwa vom Tanzhaus NRW in Düsseldorf.

 

 

Du wetterst über althergebrachte Hierarchien.

 


Niemand will Macht abgeben. Auch in Köln. Die Tanzschaffenden als immer letzte in der Reihe müssen nehmen, was ihnen an Bröckchen hingeworfen wird. Alle sollten sich mal zusammensetzen, Politik, Verwaltung, Freie Szene, Städtische Bühnen: Was sind die jeweiligen Bedürfnisse, was kann wer füreinander tun? Ein Austausch als Basis für zukunftsfähige Modelle. 

 

 

Was tut sich in der Kölner Tanzszene?

 


Mehrere Spielstätten wollen gemeinsam einen TanzPakt-Antrag auf eine Förderung von Stadt, Land und Bund stellen. Schön. Durch die Hochschule gibt es Nachwuchs. Bei uns Produzenten zeigt sich ein neues Selbstbewusstsein. Einige Jüngere, die sich durch die harten zwei, drei Anfangsjahre durchgekämpft haben, bleiben dabei. Wir überlegen, etwas zusammen zu machen. Vor zehn Jahren wollte jede Kompanie bloß einen Manager, der die Stücke verkauft. Inzwischen erkennen viele die Notwendigkeit von Produzenten an, die mit den Künstlern Visionen entwickeln und auf diese Ziele hinarbeiten.

 

 

Was ist wichtig bei der besseren Gastspielakquise?

 


Der Mehrwert: Stücke da zu zeigen, wo man dann jedes Jahr etwas zeigen kann, ein Publikum sich mitentwickelt, auch mal gewagtere Dinge machen kann, mal eine Premiere hat, eine Residenz belegt oder Probenergebnisse zeigt oder das Haus als Koproduktionspartner gewinnt. Festivals sind auch wichtig, aber sie brauchen Kontinuität. Bei der Premiere gleich Folgetermine für das Stück zu haben, ist gut für die Tänzer und die Crew, und das Stück kann sich noch entwickeln.

 

 

Normalerweise fragen Gruppen Deine Dienstleitung an?

 


Ständig! Der Bedarf ist so groß, und wenige Leute machen das. Gut wäre eine eigene Förderung, etwa für Büromiete und Auslagen, gern mit der Auflage, sich auch um ein-zwei Nachwuchskünstler zu kümmern. Denn die gehen oft mit Nachwuchsproduzenten zusammen, da ist die Fehlerquelle hoch. Ich hätte gern eine Förderung für ein Mentoring-Programm: Erfahrene und junge Produzenten laufen miteinander für etwa  eineinhalb Jahre. Wissenstransfer, Austausch, gegenseitiges Profitieren, dann ist ein Nachwuchsproduzent in der Lage, sich selber zu finanzieren. 

 

 

Zu dem Festival tanz.tausch, das Du gemeinsam mit Alexandra Schmidt kuratierst und organisierst: Warum markiert Ihr die Kölner Künstler mit dem Label NRW?

 


Wegen unseres Bundesländer-Tausches. Sachsen, Thüringen, Bayern und das niederländische Brabant sind ebenfalls dabei. Die Zweierabende stehen für das Miteinander von Künstlern aus diversen Orten. Sie sind jeweils miteinander verbunden: Beide Stücke haben Live-Musik auf der Bühne, beide basieren auf Tanztheater. Zum Titel »Anker fällt« des Folkwang Tanzstudios aus Essen passt die Installation »Catalogue of Shadows« von Kristel van Issum in St. Gertrud über die Mutter: Anker im Leben eines jeden. Zweimal Politik: Julia Riera macht auf Basis ihres »MIRA7« vom Mai 2018 über Fremdheit eine Kreation am Ebertplatz, Sebastian Weber thematisiert mit seinem »Cowboy«-Stepptanzstück den Populismus. Zum Pre-Opening haben wir drei »Jungen Talenten« aber völlig freie Hand gegeben.

 

 

In den sieben Jahren seid Ihr nicht merklich gewachsen. Stadt und Land halten uns klein, nur die Kunststiftung NRW gibt mehr. Wir leiden unter argem Geldmangel. Aber wie viele Tanzfestivals gibt es in Köln, die junge und arrivierte Künstler zusammenbringen, mit einem Austauschkonzept, so dass die gezeigten Produktionen bei den Partnern spielen können und damit wiederum langfristige Kooperationen entstehen?

 

 

Ihr macht dennoch weiter? Weil wir die Hoffnung nicht aufgeben (lacht). Irgendwie kriegen wir das immer hin.  

 

 

Hilft das Festival den von euch vertretenen Gruppen?

 


Natürlich ist es auch Marketing: eine Plattform schaffen, Sichtbarkeit für die Künstler. Wir versuchen aber, selten Kompanien zu zeigen, mit denen wir sonst arbeiten. 

 

 

Das finnische Fest vom tanz.tausch 2017 reist jetzt nach Helsinki.

 


Wir gaben Marje-Leena Hirvonnen und Nella Turkki ein Budget, um ihr Stück zu zeigen und den restlichen Abend zu gestalten, wie sie wollten. Sie brachten Plätzchen, Glühwein, Weihnachtsbaum, einen finnischen Chor aus Frankfurt, Lieder für alle, eine Band. Wodka. Großartig. Das hat mit Vertrauen zu tun: Wir machen möglich, dass sie etwas machen.

 

 

 

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