Fahrenheit 11/9

Michael Moore vergeht bei Donald Trump der Humor

So etwas wie Donald Trump hat man in der US-Politik seit Menschengedenken nicht gesehen. Michael Moore findet vielleicht daher seine Vergleiche nicht daheim, sondern in der europäischen Geschichte. Es sind die üblichen: Mussolini, Hitler usw. Das macht sie nicht falsch — nur ist man ihrer mittlerweile müde ob Dekaden des Übergebrauchs zu falschen Zwecken. Stichwort: Mit Kanonen auf Spatzen schießen. Aber immer der Reihe nach, mit Überlegungen dieser Art ist man eigentlich schon am Ende von »Fahrenheit 11/9«.

 

Zu Beginn fragt sich Moore, was bei der Wahl 2016 danebengegangen ist. Die Antwort, welche er breit auslegt, ist zwar richtig, greift aber zu kurz. Schuld an dem Trump-Debakel sei das Establishment der Demokratischen Partei, welches sich nur selber perpetuiert und dafür den Volkswillen ignoriert. Verdeutlicht wird das in einer Sequenz, die belegen soll, dass in mehreren Bundesstaaten die Wähler der Demokraten ihr Kreuzchen bei Bernie Sanders gemacht, die lokalen Parteidelegierten sich aber für Hillary Clinton ausgesprochen hätten. Stimmt bestimmt. Aber das allein ist nicht das Problem.

 

Michael Moore weiß eigentlich selber, dass das Problem nicht allein parteiinterne Korruption ist, sondern auch der Wählerwille. Doch damit beschäftigt er sich hier nicht. Stattdessen wird, gestützt von Zahlenmassen, die These in den Raum gestellt, dass die Amerikaner im Grunde Linke seien. Was Unsinn ist. Zudem: Auch Sozialisten und andere Linke haben sich historisch als nicht gefeit vor Fremdenfeindlichkeit erwiesen — um nur ein Beispiel zu nennen. Worüber sich Moore ausschweigt, ist also das reaktionäre Potential der Unter- und Mittelschicht — seines anvisierten Publikums. Statt gehöriger Schelte bekommt es einen Quasi-Ablass (»eigentlich seid ihr gut«), auf dass es sich seines besseren Selbst besinne und entsprechend agi(ti)ere.

 

Stattdessen murmelt Moore stellvertretend für alle Politkünstler symbolisch mea culpa, wenn er sich selbst in einer alten Fernsehshow mit Trump zeigt und darüber klagt, damals nichts gesagt oder getan, sondern nur ein Witzchen gemacht zu haben. Immerhin das. Jenseits dessen ist »Fahrenheit 11/9« erfreulich humorfrei. Die wenigen gezwungen daherkommenden Juxeinlagen fühlen sich wie Fremdkörper an. Dafür argumentiert Moore stringenter als in seinen sonstigen Filmen. Hätte »Fahrenheit 11/9« nicht diese offensichtlichen blinden Flecken, könnte man ihn fast politisch ernst nehmen.

 

Fahrenheit 11/9 (dto) USA 2018, R: Michael Moore, 128 Min.