»Ewigkeitskosten wird es nicht geben«: Tagebau Hambach, Foto: Dörthe Boxberg

Gefahr aus der Tiefe

Nicht nur fürs Klima ist die Braunkohle schädlich. Sie bedroht auch das Grundwasser

In diesen Tagen verkündet die Kohlekommission ihre Vorschläge für den Ausstieg aus der Braunkohle. Es geht dabei um Strukturhilfe für die Kohlereviere, auch um Entschädigungen für die Industrie. Worum es aber nicht geht, sind die Folgekosten der Braunkohleverstromung. »Es ist RWE gelungen, das Thema Ewigkeitslasten sowohl aus der öffentlichen Diskussion als auch aus der Kommission herauszuhalten«, sagt Willi Robertz von der Initiative »Leben ohne Braunkohle«. Laut Robertz bedroht ein wesentlicher Teil dieser Lasten das Grundwasser, aber auch Seen und Flüsse im Rheinischen Revier.

 

Damit die Kohle aus bis zu 450 Metern Tiefe herausgeholt werden kann, muss der Abbaubereich trockengelegt werden. Dazu pumpt RWE großflächig Grundwasser ab. Im »Hintergrundpapier Braunkohle« des NRW-Umweltministeriums werden die Folgen dieser »Sümpfung« ersichtlich: Von Köln bis Holland ist der Grundwasserspiegel »in den tieferen Leitern« abgesenkt. Im engeren Umkreis der Tagebaue sind Feuchtgebiete vertrocknet, an Häusern treten Risse auf, manche werden unbewohnbar. Bei Elsdorf hat sich das Oberflächenniveau nach Angaben des Umweltverbands BUND gar um sieben Meter gesenkt. Dabei ist der tiefste Punkt beim Abbau in den Tagebauen Garzweiler und Hambach noch gar nicht erreicht. Es seien deshalb »weitere Grundwasserabsenkungen in den bereits als im schlechten Zustand eingestuften Grundwasserkörpern zu erwarten bzw. können nicht ausgeschlossen werden«, heißt es im Papier des Ministeriums.

 

Die eigentlichen Probleme könnten aber beginnen, wenn das Grundwasser nach Ende des Kohleabbaus wieder ansteigt. Denn im Boden schlummern allerlei Altlasten, die sich in der Braunkohlewirtschaft seit den 50er Jahren angesammelt haben, vor allem sogenannte Kraftwerksreststoffe: Beim Verbrennen der Kohle in den Kraftwerken bleibt Asche zurück, die Schadstoffe wie Quecksilber und Sulfate enthält. Bis mindestens Ende der 70er Jahre wurden diese giftigen Abfälle einfach in die ausgekohlten Tagebaue verkippt — ohne jegliche Sicherung. Wenn all diese Stoffe in den nächsten Jahren mit dem wieder steigenden Grundwasser in Kontakt kommen, könnten große Mengen Wasser kontaminiert werden.

 

Auf dieses Problem macht auch der BUND seit Jahren aufmerksam. »Es ist aber schwer in Erfahrung zu bringen, wo welche Mengen dieser Aschen verkippt wurden«, sagt Dirk Jansen von der Landesgeschäftsstelle des BUND. Die betroffenen Landkreise erhielten einen Erlass der vormaligen, rot-grünen Landesregierung, um Lage und Umfang der Schadstoffe zu ermitteln. Doch dieser wurde laut Robertz nur oberflächlich umgesetzt: »Konkrete Daten wurden nicht vorgetragen.« RWE wiederum verneint, dass diese Aschenkippen das Grundwasser gefährdeten. Deshalb seien auch »keine Nachsorgemaßnahmen nötig«, so RWE-Sprecher Guido Steffen.

 

Seit den 80er Jahren wird die Asche in vier Deponien entsorgt, unter anderem im Feld »Vereinigte Ville« bei Hürth-Knapsack. Dort wird sie mit Ton abgedichtet und ist nach Angaben von RWE für alle Zeiten sicher. Daran aber zweifeln Robertz und der BUND, zumal das Unternehmen von einer Ausnahmeregelung Gebrauch macht und Teile der Deponien künftig unterm Grundwasserspiegel liegen. Erst auf Intervention von Robertz und BUND hin bildete RWE Rücklagen für Sicherheitsleistungen, wie sie die Deponieverordnung vorschreibt. Zuvor hatte die zuständige Bezirksregierung Arnsberg sie nie erhoben: Dies sei im Bergrecht »bisher nicht üblich«, teilte ein Sachgebietsleiter der Bezirksregierung Robertz in einem Schreiben mit. Robertz kritisiert, die Sicherheitsleistungen in Höhe von 50 Mio. Euro reichten nicht aus. Zudem bemängelt er, dass die Bezirksregierung die Deponien nur einmal im Jahr kontrolliere.  

 

Gefahr droht dem Grundwasser auch durch die Arbeiten im Tagebau selbst. Indem das Erdreich umgelagert wird, kommt es mit Sauerstoff in Kontakt. Dabei werden aus dem natürlich im Boden vorkommendem Pyrit Eisen und Sulfate freigesetzt, die ins Grundwasser eindringen. RWE versucht Abhilfe zu schaffen, indem mehrere tausend Tonnen Kalk pro Woche allein nach Garzweiler transportiert werden. Der Einsatz von Kalk soll den chemischen Prozess mindern. »Das klappt aber nur zum Teil«, so Dirk Jansen vom BUND. Manche Wasserwerke wie die von Aldenhoven bei Jülich wissen kaum mehr, wo sie ihr Wasser noch hernehmen sollen, wenn die »Sulfatwolke« aus den Tagebauen ihre Brunnen erreicht haben.

 

Im Ruhrgebiet hat die Steinkohleindustrie in einen Fonds eingezahlt, um für die Folgen des Bergbaus aufzukommen — etwa, um das Grundwasser zu reinigen. Ähnliches tut die Braunkohleindustrie nicht. Nach Auskunft von Unternehmenssprecher Steffen ist der Grund dafür ganz einfach: »Ewigkeitskosten wird es bei den Tagebauen nicht geben.«