Foto: Dörthe Boxberg

Die Wildkräuter-Lobbyisten

In Brück kann man alles über Dost, Gundermann, Giersch und Co. lernen

Der Wiesen-Bärenklau ist der Star des Tages. »Das ist im Moment auch mein Liebling«, sagt Daniel Baer über die hochgewachsene Pflanze, die ihren Namen wegen der Ähnlichkeit ihrer Blätter mit einer Bärentatze hat, und pflückt noch eine der kräftigen Knospen. »Aber nicht zu viel auf einmal. Immer was dran lassen«, mahnt er.

 

Der 35-Jährige ist einer der Gründer von »Kräuterkauz«.Gemeinsam mit Diego Gardón möchte er einheimische Wildkräuterpflanzen von ihrem Unkraut-Image befreien: Dost, Vogelmiere, Sauerampfer, Gänsefingerkraut oder Wasserdarm — »Kräuter, die ein normaler Gartenbetreiber rauswerfen würde. Dabei sind viele nützlich und köstlich und haben zudem wertvollere Inhaltsstoffe, weil sie naturbelassen sind.«

 

Seit eineinhalb Jahren haben die beiden ihr »Base-Camp« in Brück: Eine alte Scheune, Obstbäume, ein kleiner Gemüsegarten, ein Bienenstock. Und drum herum: Jede Menge Wiesen voller wilder Pflanzen. Mit denen befassen sie sich schon länger. »Ich war schon mit vier Jahren heiß darauf, im Wald Kräuter zu sammeln«, erzählt Baer. Seit April dieses Jahres teilen die beiden ihre Leidenschaft mit anderen — beim so genannten Kräuter-Picknick. Einen ganzen Tag lang kann man sich von ihnen in die Welt der wilden Kräuter einführen lassen.

 

Rund 15 Menschen jedes Alters sind an diesem Samstag mit von der Partie. Eine Familie ist sogar extra aus Essen angereist. »Wir gehen schon länger pflücken, Brennesseln, Löwenzahn, so etwas. Aber wir wollen noch mehr kennenlernen«, erklären sie. Dafür ist vor allem Baer zuständig: Bei der Kräuterwanderung erklärt er, was wo wächst, wie man giftige von nicht giftigen Pflanzen unterscheiden kann. Und natürlich wird auch gesammelt, da müssen dann alle ran. Zwischendurch gibt’s die Probe aufs Exempel hinsichtlich der Nützlichkeit der Pflanzen: Eine Frau ist von Ameisen gebissen worden, woraufhin Baer eine Handvoll Spitzwegerich pflückt. Der wirke wie eine Art natürliches Anti-Histamin, erklärt er.

 

Der Fokus liegt jedoch nicht auf der heilenden Wirkung der Wildkräuter, sondern auf ihrem Geschmack. Zurück im Base-Camp zeigt Gardón, was man aus den Wildkräutern alles herstellen kann: Salbei-Gundermann-Giersch-Zitronen-Saft, Steinkleeöl oder Tortilla mit Brennesseln und Nachtkerzenblüten. »Man kann Wildkräuter für vieles verwenden: Smoothies, Suppen, Pestos, Antipasti, aber auch als Kaffeeersatz und für Schnaps«, erklärt er. Wie das genau geht, lernen die Teilnehmer im zweiten Teil des Kräuterseminars selbst: Es gibt in Butter gebratenen Wiesen-Bärenklau, dazu einen Wildkräu­tersalat mit Hirtentäschel, Melde, Ringelblumen und vielem mehr. Alle packen mit an — und alle sitzen später an der großen Outdoor-Tafel und essen, was sie am Vormittag gesammelt haben.

 

Für Baer und Gardón hat ihre Leidenschaft auch eine politische Dimension. Vor dem Hintergrund knapp werdender Ressourcen gehe es auch um Selbstversorgung und den Fokus auf regionale Produkte, erklären sie. Da würden sie sich gerne noch stärker vernetzen, mit Urban-Gardening-Projekten oder Food-Coops, aber eben auch mit Gastronomen: »Da schicken manche ihre Foodscouts für viel Geld nach Asien. Dabei gibt es auch hier exotische Sachen, die einfach in Vergessenheit geraten sind. Das ist eine echte Alternative.«

 

Sowieso: Ideen für die Zukunft gibt es viele. Ein Kräuterbier für eine Ehrenfelder Brauerei, spezielle Führungen zu Teekräutern oder heilenden Pflanzen, Zusammenarbeit mit  Hofläden, über die sie ihre Produkte verkaufen. Vor allem aber hoffen sie, die Teilnehmer für Wildkräuter zu sensibilisieren. »Wenn nur ein paar Leute demnächst ähnlich wie wir mit Scannerblick durch die Natur gehen, sind wir glücklich.«

 

kraeuterkauz.de