Was bedeutet Freiheit? Autor Frank Reifenberg erforscht die Edelweißpiraten

Wo die Freiheit wächst

Frank Maria Reifenberg über seinen Edelweißpiraten-Roman

Vier Jahre hat der Kölner Autor Frank Maria Reifenberg an dem Briefroman »Wo die Freiheit wächst« gearbeitet. Im Zentrum steht die 16-jährige Lene Meister, die sich in Köln im Jahr 1942 verliebt und bald herausfindet, dass ihr Freund Erich einer Gruppe wider­ständiger Jugendlicher angehört — den Edelweißpiraten. Mit uns spricht Reifenberg über seine Recherchen und die Kritik am Heldenmythos.


Herr Reifenberg, Sie haben ein Mädchen zur Protagonistin Ihres Buches gemacht. Warum?

Über die Edelweißpiraten wird, wie so oft in der Geschichtsschreibung, vor allem aus männlicher Perspektive erzählt. Beim Betrachten der historischen Fotografien fielen mir aber die vielen Mädchen auf, die damals etwa an Wanderschaften teilgenommen haben. Gertrud »Mucki« Koch ist eine berühmte Figur, es gibt aber noch viele andere, die sichtbar gemacht werden sollten.

Sie haben eng mit dem NS-Dokumentationszentrum zusammengearbeitet. Wie dicht ist das Buch am historischen Geschehen?

Bei meiner Recherche breitete sich ein enormer Fundus an zeitdokumentarischem Material vor mir aus, darunter auch Briefe und Tagebucheinträge, die das NS-Dokumentationszentrum in seinen Archiven lagert. Ich habe Jahre damit verbracht, die Ereignisse und das gesellschaftliche Leben der damaligen Zeit für das Buch zu rekonstruieren — was dazu geführt hat, dass nicht das kleinste Detail in den Briefen fiktiv ist. Jeder Bombeneinschlag, jede Essensration am jeweiligen Tag entspricht den historischen Fakten.

Was haben Sie Neues über die Edelweißpiraten erfahren?

Mich hat überrascht, wie sichtbar sie in ihrer Unangepasstheit waren. Das waren junge Menschen, die im Gleichschritt des NS-Regimes nicht mitmarschieren wollten. Sie trugen ihre Haare lang, rollten ihre Wollsocken auf eine bestimmte Art nach unten und »lungerten« vor Bunkern herum — so beschreiben es Unterlagen der Gestapo. Die übrigens nahm die damalige Jugendbewegung ausgesprochen ernst: Es gibt zahlreiche Dokumente, die die Furcht vor dem Widerstand der »unangepassten Jugend« belegen.

Trotzdem sehen Sie den Helden­mythos um die Edelweißpiraten kritisch…

Vieles, was diese Jugendlichen unternommen haben, war mutig und teilweise auch konspirativ, etwa die Flugblattaktion am Kölner Hauptbahnhof 1942, bei der mit aller Deutlichkeit gegen das Naziregime protestiert wurde. Dennoch schwingt in vielen Briefen oder Tagebucheinträgen der Jugendlichen ein antisemitischer Unterton mit. Im Grunde waren die »unangepassten Jugendlichen« von damals auch Kinder ihrer Zeit.

Ein Blog im Netz gibt Einblick in Ihre Arbeit am Buch, und Sie stellen Unterrichtsmaterial zum Download bereit. Was haben Sie mit dem Buch noch vor?

Am 15. September wird es eine Lesung in Nippes geben, am Ort des Geschehens sozusagen. Außerdem planen wir eine große Schulaktion. Die Frage, was Freiheit bedeutet und wofür man auf die Straße gehen sollte, muss gerade angesichts der rechten Tendenzen in unserer Gesellschaft weiterhin gestellt werden.

Lesung

»Wo die Freiheit wächst«, Frank M. Reifenberg liest aus seinem Roman
15.9., Buchladen Neusser Str., 11 Uhr