Stadthalle Mülheim: Das Publikum verhandelt ein Entweder-Oder

Pole und Positionen

Die Inszenierung von The Polarity Party des MichaelDouglas Kollektivs und Dana Caspersen liefert eindrucksvoll Erkenntnisse zur Macht der Rede

Der Begriff »Party« provoziert. Er lässt vermuten, in »The Polarity Party« werde etwas gefeiert, mit Musik, Alkohol und Schwof. Allein die gut 90 Minuten sind etwas ganz anderes. Von Ausschweifen und zur Schau getragener guter Laune ist keine Spur bei der Premiere im Mai 2019 im Zollverein Essen. Doch, einige Partyelemente gibt es: Die Performance ist keine Aufführung, sondern bezieht eben alle Anwesenden mit ein, neudeutsch: »partizipativ«. Wer zuschaut, ist Teil des Arrangements. Wer einem Nachbarn im Sitzen oder Schlendern etwas erzählt, von sich erzählt, oder wer dabei zuhört, vielleicht nachfragt: Alle gehören dazu, sind aktiv.

Der Clou, also die Kunst dabei, ist, dass nicht beliebige Leute des Publikums zu Nachbarn werden, irgendwo sitzen oder irgendwann beobachten oder lauschen. Wer was wann mit wem tut und worüber gesprochen wird, das ist choreographiert. Klingt unspaßig, wird aber von dem Party-Orga-Team auf angenehme Weise erläutert. Es erleichtert, ja, beflügelt die Teilnahme, weil es eine fast spielerische Atmosphäre schafft für das schwierige Thema Polarität, ohne es zu veralbern.

Dieses Arrangement für 50 bis 150 Leute hat Dana Caspersen mit dem Kölner MichaelDouglas-Kollektiv und weiteren Helfern und Mitdenker*innen entwickelt. Caspersen, eine weltbekannte, ehemalige Tänzerin bei dem Balletterneuerer William Forsythe, hat sich in Konfliktmanagement fortgebildet. Neben ihren Einsätzen in Krisensituation und neben Vorträgen über »Konflikt als Raum für Möglichkeiten« erstellt sie solche, nicht-performativen, Performances: Angefangen mit »Knotunknot«, dann 2016 mit dem MichaelDouglas-Kollektiv »The Exchange«, das mehrere Gruppen mit unterschiedlichen Aktivi­täten durch einen Raum navigierte, während von Gewalt die Rede war. Im Gegensatz zu damals, gibt es diesmal keine technische Geräte wie Kopfhörer. Zettel und Papierschilder genügen. Auch das Thema ist besser gewählt, weil es schwerer zu fassen oder einzukasteln ist. Das Polarisieren, ein Bewerten oder Erleben von Entweder-Oder, ist so alltäglich, dass es kaum bemerkt oder für unausweichlich gehalten wird. Der große Gewinn, den man aus diesem Party-Besuch ziehen kann, ist, Polarisierungen bemerken zu können und damit als behandelbar, verhandelbar, vielleicht auf­lösbar zu erleben.

Es wäre toll, die Despoten aller Länder träfen sich mal zu dieser Party oder die Hasstreiber dieses Landes. Aber das Künstlerteam verspricht keine Weltrettung, sondern setzt auf glaubwürdige Weise an der Basis an: bei allen.

The Polarity Party

C: Dana Caspersen
5.9., Stadthalle Mülheim, 19 Uhr
Freier Eintritt für Schüler*innen und Studierende