Wilde Unberechenbarkeit: Frith zwischen Jordan Glenn (li.) und Jason Hoopes

Und tief drinnen die Melancholie

Der große Gitarrist Fred Frith feiert seinen 70. Geburtstag — und tritt mit seinem Trio auf dem WEEK-END Fest auf

Wenn es einen Superstar der Avantgarde-Musik gibt, dann ist es Fred Frith: Das war der Konsens vor 20, 30 Jahren. Natürlich war da noch sein Freund und musikalischer Partner John Zorn, aber im Gegensatz zu Friths ruhiger, besonnener, souveräner Ausstrahlung, markierte Zorn der Exzentriker. Der britische Gitarrist, Improvisator, Bandleader, Komponist dagegen definierte mehr noch als Zorn jene Spielart von experimenteller Musik und freier Improvisation, die weit in den aufgeschlossenen Mainstream hineinragte. In seinen freien Improvisationen steckt tief drinnen eine melancholische Note, die das Publikum ergriffen heraushörte. Umgekehrt war seine Rockmusik von wilder Unberechenbarkeit: Sein Postpunk- und No-Wave-Trio Massacre (1980(81) war selbst für diese radikale Szene unkonventionell und brachial. Und Friths zahlreiche Kompositionen, Filmscores und Big-Band-Projekte leben von einer Offenheit und Entspanntheit, dass sie fast schon als Moodmusic durchgehen. Aber nur fast.

Frith betrat die Szene der Neutöner als Rocker: Er war 1968 Mitbegründer des Artrock-Kollektivs Henry Cow, und als er seine erste Gitarren-Solo-LP präsentierte, 1974 war das, war das Feld eigentlich schon bestellt. Hans Reichel, Derek Bailey und Keith Rowe hatten die Möglichkeit der freien Gitarrenimprovisation — samt zuvor nie gehörter technischer Erweiterungen — definiert. Dass Frith mit seinem Solo-Debüt direkt seinen Platz in dieser Riege fand, weil er glitzernde, versponnene, splitternde Gitarrentöne zu verwirrend homogenen Stücken amalgamierte, muss man als musikalische Titanentat werten.

Nach den Erfolgen der 80er und 90er Jahre schlug Frith einen anderen Weg ein. Er zog mit seiner deutschen Familie in die USA, wo er 1997 Professor für Komposition am renommierten Mills College in Oakland wurde. Für ihn war das die willkommene Chance, sich aus dem nervenzehrenden Konzertbetrieb stärker herauszuhalten. Seiner Produktivität hat das nur gut getan. Seit 2013 meldet er sich auch wieder mit einem exzellenten Powertrio zurück, in dem Jason Hoopes am Bass und Jordan Glenn am Schlagzeug zu hören sind. Ihre Musik nimmt den Impetus von Friths frühen Gitarreneskapaden auf: Freie Improvisationen ohne Prätention, gespielt mit einem sicheren Gespür für Dramatik und Stille, aber immer offen, bereit für den Ausbruch. Es gibt keinen Druck und keine Anbiederung an einen Zeitgeist, das macht ihre Musik so gut. Jetzt sind sie in Köln zu hören.