Der Brainpool kommt

Kunstkritik heute: Der 52. Internationale AICA-Kongress tagt in Köln

 

Unter dem Titel »Die Feigheit der Kritiker ruiniert die Kunst« schrieb der jetzige stellvertretende Res­sortleiter des Feuilletons der Zeit, Hanno Rauterberg, vor einigen Jahren: »Nichts hat die Kritik also nötiger als klar formulierte Regeln. Um wieder an Souveränität und Ansehen zu gewinnen, braucht sie eine Art Ehrenkodex, der es dem Kritiker verbietet, Sammler zu beraten, Ausstellungen einzurichten, Aufsätze für monografische Kataloge zu schreiben und auf Vernissagen die Einleitungsworte zu sprechen.«

Würde der Internationale Kunstkritikerverband AICA sich an diese Maxime halten, gäbe es statt der derzeit mehr als 5000 Mitglieder (davon rund 200 in Deutschland) bald nur noch eine Handvoll. Auch die Autorin dieses Textes, Mitglied der Schweizer Sektion der AICA, müsste dann austreten. Statt um bessere Bezahlung für Kri­ti­ke­r*in­nen geht es aber fürs erste bei dem 52. Internationalen AICA Kongress, der vom 1. bis 7. Oktober in Köln und Berlin stattfindet und für den circa 200 Kunstkri­ti­ke­r*in­nen erwar­tet werden, um das Thema »Kunstkritik in Zeiten von Populismen und Nationalismen«.

Der Auftakt in Köln ist öffentlich, hier wird am 1. Oktober im Museum Ludwig der Internationale Kunstkritikerpreis an Prof. Dr. Walter Grass­kamp verliehen. Damit ehrt die AICA einen Autor, der »sein profundes Wissen über Künstler, Institutionen, Kulturpolitik sparten­über­greifend in eine Sprache kleidet, die auch ein größeres Publikum an­spricht«, so die Begründung der Jury. An diesem Abend findet auch eine Lecture Performance von Vanja Smiljaniv und Dieuwke Boersma statt, Jürgen Stollhans zeigt im Foyer des Museums eine Videoinstallation zum Kongress­thema. Auch Grasskamps Buch »Die De-Nazifizie­rung der Nazi-Kunst — Arno Breker und Albert Speer« ist im Zusammen­hang mit dem diesjährigen Thema des Kongresses von Interesse.

Neben der Verleihung dieses Kunstkritikerpreises vergibt die deutsche Sektion der AICA zudem eine Auszeichnung für das »Mu­seum des Jahres«, die »Ausstellung des Jahres« und die »Besondere Ausstellung«, womit wir wieder bei der Forderung nach klaren Regeln angelangt wären. Aber vielleicht fließen ja auch die Diskussionen über Genderfragen, Diskriminierung, Populismus, politische Zensur und moralische Kritik in zukünftige Kunstkritiken auf eine Weise ein, die ihre Lektüre lohnenswert macht.