Party time: Billie Lourd

Booksmart

Olivia Wilde diversifiziert in ihrem Regiedebüt das Genre der Highschool-Komödie

Vordergründig ist »Booksmart« eine konventionelle Teenie-Komödie. Sie baut auf einem Erzählmuster auf, das bis zu George Lucas’ »American Graffiti« (1973) zurückreicht und dem das amerikanische Kino regelmäßig neue Varianten hinzufügt. Das erfolgreichste Beispiel im 21. Jahrhundert war bisher »Superbad« (2007), weshalb es wohl kein Zufall ist, wenn das Regiedebüt der Schauspielerin Olivia Wilde dessen Ausgangskonstellation wiederholt: Auch in ihrem Film durchleben zwei eng befreundete Nerds zum Abschluss ihrer Schulzeit eine turbulente Partynacht.

Umso überraschender ist, wie erfrischend die bewährte Formel hier wirkt — was vor allem daran liegt, dass die Hauptfiguren Frauen sind. Keiner der vielen Vorläufer hat weibliche Figuren unumschränkt ins Zentrum gestellt, was diese Komödie zu einem Meilenstein für die feministische Diversifizierung des Kinos macht. Das war der Regisseurin sowie der maßgeblichen Autorin Katie Silberman und der Produzentin Jessica Elbaum natürlich im Voraus bewusst, weshalb die Nonchalance von Figurenzeichnung und Plotentwicklung erst recht erstaunt — zumal das Drehbuch seit 2009 in Hollywood herumgereicht und mehrfach umgeschrieben wurde.

Gegenüber einer frühen Version, in der die Protagonistinnen unbedingt vorm Abschlussball einen Freund finden wollten, wurde der Stoff deutlich emanzipierter ausgerichtet: Wenn Molly und Amy nun ausnahmsweise zu einer Party aufbrechen, besteht das Motiv im plötzlichen Bedauern, zugunsten der Paukerei auf jeden Spaß verzichtet zu haben. Und wenn die beiden Streberinnen endlich die Party erreichen und dort ihrem jeweiligen heimlichen Schwarm begegnen, handelt es sich in einem Fall um eine Frau.

Im Zuge der Drehbuchüberarbeitung wurde Amy lesbisch — was in »Booksmart« als nebensächliche Selbstverständlichkeit behandelt wird. Dass ein Unisex-Klo in einer High School ebenso beiläufig als Selbstverständlichkeit dargestellt wird, wirkt angesichts des politischen Streits um öffentliche Toiletten kokett. Doch das Statement, das Wilde damit zweifellos macht, verbindet sie bezeichnenderweise mit der ironischen Übertreibung eines im Nebensatz angedeuteten Klostreiks, »bis wir alle ohne Genitalien pinkeln können«. Folgerichtig verzichtet Wilde auch nicht aus falsch verstandenem Respekt auf Gags über lesbische Sexpraktiken.

»Booksmart« folgt einem angenehm gelassenen Erzählrhythmus.Zum souveränen Gesamteindruck gehört auch, dass die 35-jährige Filmemacherin sich seltener zu stilistischem Überschwang hinreißen lässt, als man von Regiedebütanten gewohnt ist. Die Figuren sind so differenziert angelegt, wie es einem erwachsenen Blick auf Teenager angemessen ist. Die beiden Freundinnen sind klug, aber auch naiv, und ihr keckes Selbstbewusstsein basiert zum Teil schlicht auf mangelnder Selbstreflexion. So wird die Partynacht durch Mollys plötzliche Erkenntnis angestoßen, dass sie und Amy keineswegs die einzigen in ihrem Jahrgang sind, die einen Studienplatz an einer Eliteuniversität ergattern konnten — obwohl sie die einzigen waren, die auf ein Partyleben verzichtet haben. Im Laufe der Nacht müssen die beiden dann noch mehr Vorurteile revidieren. Man darf also hoffen, dass sie bald auch ihr neoliberales Verständnis von vermeintlicher Leistungsgerechtigkeit hinterfragen. Das drückt sich beispielsweise im Text eines Selbstoptimierungs-Ratgebers aus, den Molly gleich in der Anfangsszene mitspricht — gipfelnd im Ausruf »Fuck those losers!«

Vielleicht wird Wilde bei künftigen Regiearbeiten ja auch mehr Verständnis für soziale Fragen beweisen. Jedenfalls kann man »Booksmart« nicht loben, ohne befremdet zu notieren, dass hier ständig vom sündhaft teueren Studium an der Yale oder Columbia University die Rede ist — ohne dass das in den USA hochaktuelle Streitthema Studiengebühren ein einziges Mal angeschnitten würde.

(dto) USA 2019, R: Olivia Wilde, D: Kaitlyn Dever, Beanie Feldstein, Jessica Williams, 102 Min.