»Keine Werbung für WhatsApp«: Infozettel für den Kölner Bücherbus

Datenzahlung

WhatsApp ist berüchtigt, doch städtische Institutionen bedienen mit dem Messenger ihre Kundschaft

Der Kölner Bücherbus bringt Literatur unkompliziert zu den Menschen. »Aktuelle Informationen zum Bücherbus direkt auf’s Handy«, bewirbt die Stadtbibliothek ihr Angebot. Allerdings nur auf Handys, die den Messenger der Facebook-Tochter WhatsApp installiert haben. Dessen Logo prangt groß auf Info-Zetteln der Stadtbibliothek. SPD-Ratsmitglied Thomas Hegenbarth ist empört. »Die Daten gehören nicht sorglos in die Hände international agierender Großunternehmen, deren Ziel einzig Gewinnmaximierung ist«, sagt der Digitalisierungsexperte seiner Fraktion. »Kommunen wie Barcelona haben das erkannt und arbeiten an Alternativen, um die Daten ihrer Bürgerinnen und Bürger ausnahmslos für das Gemeinwohl zu nutzen.« Hegenbarth kündigt dazu Vorschläge der SPD-Fraktion an.

»Ich frage mich, ob man solche notorischen Kanäle überhaupt bedienen sollte«, sagt auch Thor Zimmermann von der Ratsgruppe Gut. Zimmermann fordert eine Richtlinie und eine »einheitliche Vorgabe«, wie die Stadt und stadtnahe Unternehmen ihre Social-Media-Angebote an die Kunden gestalten. »Denn die Stadt und die Oberbürgermeisterin bedienen ja zum Beispiel auch Facebook, den Mutterkonzern von WhatsApp.«

Auch die KVB hat bislang über WhatsApp einen Newsletter und Stellenanzeigen verschickt. Doch damit soll Ende November Schluss sein, sagt KVB-Sprecher Matthias Pesch, »da WhatsApp ab dem 7. Dezember 2019 rechtliche Schritte gegen diejenigen einleiten wird, die automatisierte Nachrichten oder Massennachrichten versenden.« Alle entsprechenden Kundendaten würden am 1. Dezember gelöscht, so Pesch. Das Pilotprojekt mit WhatsApp habe das Ziel gehabt, »den Kunden die Informationen so einfach wie möglich dort bereit zu stellen, wo sie sich ohnehin schon aufhalten«. Aber Pesch stellt fest: »Die Abonnentenzahlen unserer beiden WhatsApp-Newsletter sind nur zufriedenstellend.« Auf Messenger-Dienste werde man vorerst verzichten. »Wir bleiben daher nach der Abschaltung am 30.11. beim E-Mail-Newsletter«, so Pesch.

Der Anbieter Threema aus der Schweiz gilt zurzeit neben anderen wie Signal datenschutzrechtlich als weitaus seriöser. Bei Threema ist man stolz, dass einige Bundesministerien bereits auf Threema umgestiegen sind. Doch in Köln zählt offenbar vor allem Reichweite. Auf etwa 80 Prozent der Smartphones ist WhatsApp installiert, trotz aller Skandale des Unternehmens und seiner Konzernmutter Facebook.

Bei der Stadtbibliothek will man eine Reklame für den Messenger, der mit Logo auf den Werbeztteln vertreten ist, nicht erkennen. »Wir bedienen lediglich einen Kanal, der von einem Großteil der Bevölkerung bereits genutzt wird«, sagt eine Sprecherin. Die Entscheidung habe die Direktion der Stadtbibliothek in Abstimmung mit der Online-Redaktion der Stadt Köln getroffen, der städtische Datenschutzbeauftragte hatte keine Einwände. Eine Information per SMS sei zu teuer. »Wir begleiten dies allerdings in der Tat mit kritischen Veranstaltungen wie z.B. Cryptopartys zu WhatsApp-Alternativen, Workshops zum Umgang mit WhatsApp und pädagogischen Veranstaltungen für Eltern mit ihren Kindern«, teilt man mit.

Knickt der Datenschutz vor dem Status quo ein? Ulrich Breite von der FDP-Fraktion sieht ein »Dilemma«. Er habe sich auch gegen WhatsApp gesträubt, sagt Breite. Ihn erschrecke, »wie sehr sich die Menschen selbst gläsern machen. Aber irgendwann kam ich da auch nicht mehr dran vorbei.« Auch er nutzt WhatsApp. Wie sehr nervt ein solches Quasi-Monopol einen Wirtschaftsliberalen? Er verstehe, dass auch Institutionen sich dahin wenden, wo ihre Kundschaft ist, sagt Breite. »Aber ich erwarte von der Stadtbücherei, dass demnächst auch Nutzer anderer Messengerdienste wie zum Beispiel Threema bedient werden.«

»Datenschutz wirkt auf viele immer noch abseitig. Etwa so
wie Denkmalschutz«, sagt Zimmermann. Er hat WhatsApp gelöscht.