Das Stadtwaldviertel in Köln

Großzügig am Stadtrand

Das Stadtwaldviertel ist eine der teuren Wohngegenden in Köln. Wer sich dort umsieht, trifft auf ein großzügig geplantes Viertel mit vorbildlichen Grünflächen und freundlichen Anwohnern

»Als wir eingezogen sind, hatten wir noch Paletten vor der Haustür. Unsere Kinder sind ständig im Schlamm der Baustellen steckengeblieben«, sagt Martina Reiner in der Küche ihres Reihenhauses. »Wir sind die Gründergeneration.« Zusammen mit 31 anderen Familien bezog die Innenausstatterin 2002 einen Neubau in der Stadtwaldsiedlung in Junkersdorf. Bis 1996 waren dort in der Haelen-Kaserne belgische Soldaten stationiert. Ab Ende der Neunziger ist dann eins der größten Neubauviertel im Kölner Westen entstanden: Wohnraum für 1600 Menschen sowie Büro- und Gewerbeflächen. Im Süden wird es durch die Dürener Straße begrenzt, im Osten und Norden stehen der Stadtwald und die Jahnwiesen. Man kann es schlechter treffen.

»Hier wohnen Ärzte und Juristen«, beschreibt Martina Reiner (51) die Sozialstruktur des Viertels. Der FC hat eine Wohnung gemietet, in der zum Beispiel Ex-Trainer Peter Stöger gewohnt hat. Auch unter Architekten sei das Viertel gefragt, sagt Reiner. Kein Wunder, es ist preisgekrönt. Für seinen Wohnriegel aus 13 Häusern hat Architekt Bernd Hellriegel 2003 den Kölner Architekturpreis gewonnen. Dabei machen sie auf den ersten Blick nicht viel her. Nähert man sich ihnen von Norden aus Richtung Stadion, wirken sie wie kleine, dreigeschossige Reihenhäuser mit Flachdach. Vor den Häusern sind Verschläge für Mülltonnen und Fahrräder, vor den Garagen stehen Autos. Ihre Pracht entfalten die Reihenhäuser auf der Rückseite. Sie sind am Hang gebaut: insgesamt vier Geschosse öffnen sich zu einem Garten, an dessen Ende der Schilf hoch wächst. Das Stadtwaldviertel hat sein eigenes Gewässer.

Der Mittelpunkt der Siedlung ist eine T-förmige Gracht, die künstlich angelegt wurde. Hier befinden sich Geschäfte, Büros und eine große Promenade. »Auf der Promenade haben Generationen von Kindern Fahrradfahren gelernt, mit Kreide gemalt und Verkaufsstände aufgebaut«, erzählt Martina Reiner. Der Zugang zur Gracht ist großzügig gehalten: ein breiter Weg mit Bäumen und Steinquadern, die auch als Sitzgelegenheiten fungieren. »Hier fahren die Kinder Inliner, und die Mütter sitzen daneben und unterhalten sich«, sagt Reiner. »Hohe Aufenthaltsqualität« hatte der Immobilienentwickler Campus, eine Tochter der Stadtspar­kasse Köln, versprochen, als sie die Pläne für das Stadt­wald­viertel Ende der 90er vorstellten. Das ist nicht übertrieben. Das Stadtwaldviertel hat die weitläufige Architektur des Kasernengeländes aufgenommen. Zwischen den einzelnen Wohnquadern sind breite Wege angelegt, viele Bäume spenden Schatten. Und inmitten von großzügigen Wohnhäusern liegen zwei Spielplätze — auch die gehen auf einen Entwurf von Bernd Hellriegel zurück, der das Gelände federführend geplant hat. Unter Architekten galt es als da­mals als Wagnis, Spielplätze in der Nähe von hochpreisigen Immobilien anzulegen. Siehe da: Die Häuser sind trotz­dem bewohnt. Am östlichen Rand verdichtet sich die Siedlung plötzlich, die Häuser werden höher, sie stehen enger und werfen lange Schatten. »Ursprünglich waren dort auch Doppelhaushälften geplant«, erzählt Martina Reiner. Die Bebauung verzögerte sich aber. »In der Zwischenzeit ist der Grundstückspreis dann so stark gestiegen, dass sich nur noch Mehrfamilienhäuser gerechnet haben.« Hier deutet sich an, was mittlerweile die Regel im Siedlungsbau ist. Um die rapide gestiegenen Bodenpreise zu refinanzieren, planen Immobilienentwickler nur noch den Mindestabstand zwischen Bauten ein.

Eine billige Wohnlage ist das Stadtwaldviertel aber auch nicht. Martina Reiner sagt, dass sich der Wert der meisten Immobilien seit ihrem Einzug Anfang der Nullerjahre verdoppelt habe. Das Wirtschaftsmagazin Capital beziffert den Quadratmeterpreis für eine Eigen­tumswohnung in der Siedlung auf bis zu 4000 Euro, Mietwohnungen werden für um die 13 Euro pro Quadratmeter angeboten. Und weil das Kölner Baulandmodell damals noch nicht in Kraft war, fehlen auch die mittlerweile vorgeschrie­benen 30 Prozent Sozialwohnungen. »Hier wohnen viele Menschen in ihren eigenen Häusern«, sagt Martina Reiner. Bislang seien große Immobilienkonzerne daran gescheitert, Häuser im Viertel zu kaufen. In den denkmalgeschützten Kasernenbauten im Südwesten der Siedlung sind zwar viele gewerbliche Mieter wie Ärzte, Anwälte oder der Stadtsportbund Köln. Aber es gibt dort auch eine Wohn­gruppe für Menschen mit Behinderung und barrierefreie Wohnungen für Senioren, in denen auch Martina Reiners Vater wohnt.

»Die Leute hier sind nicht versnobt«, sagt Reiner. Vor ihrem Umzug nach Junkersdorf haben sie und ihr Mann in einer Wohnung in Sülz gewohnt. Mit der Geburt ihres ersten Kindes wurde sie zu eng. Bei einem Spaziergang haben sie dann eine Werbetafel für das Neubaugebiet in Junkersdorf entdeckt und sind 2002 umgezogen. »Damals standen hier kaum Häuser«, sagt sie und kramt einen alten Verkaufsprospekt heraus. Wo heute Bäume und Wohnhäuser stehen, zeigt der Prospekt alte Militärbauten und viel Brachland. Kurz nach ihrem Umzug haben sie und ihr Mann die Initiative Stadtwaldviertel ins Leben gerufen. Sie haben Grill­aben­de veranstaltet, einen Martinsumzug und ein Veedelsfest organisiert. Auf der alten Homepage der Initiative, die Martina Reiners Mann programmiert hat, ist all das dokumentiert. »Manchmal kontaktieren mich Menschen über die Homepage, die hier eine Wohnung suchen«, sagt Martina Reiner und lacht. Die Kinder hätten zu Beginn dafür gesorgt, dass man schnell mit den Nachbarn in Kontakt gekommen sei, berichtet sie. Fast alle Kinder aus der Siedlung gehen in Junkersdorf zur Grund­schule, erst mit dem Übergang auf die weiterführende Schule trennen sich die Wege. »Heute lerne ich aber mehr Leute über meinen Hund kennen«, sagt Reiner. Der benachbarte Stadtwald ist eine beliebte Gegend für Hundebesitzer.

Der Stadtwald ist aber auch aus einem anderen Grund wichtig — man kann ihn gut mit dem Fahrrad durchqueren. Martina Reiners Mann arbeitet in der Innenstadt. Dorthin fährt er jeden Tag mit dem Rad. Sie selbst arbeitet von zu Hause, der Ausstellungsraum für ihren Inneneinrichtungsbetrieb befindet sich in ihrem Wohnhaus. Kundenbesuche macht sie mit dem Auto, denn das Stadtwaldviertel ist bis heute nicht gut an den Nahverkehr angebunden. Es gibt nur eine Buslinie, und bis zur nächsten Station der Stadtbahn an der Aachener Straße sind es zwei Kilometer.

Seit fast 20 Jahren wohnen die Reiners nun am Rand von Junkersdorf — gibt es etwas, was sie gegenüber dem Leben in der Stadt vermissen? »Am Anfang waren wir lange damit beschäftigt, Beruf, Haushalt und Erziehung unter einen Hut zu bringen«, erzählt Martina Reiner. Zum Ausgehen sei keine Zeit gewesen. Mittlerweile habe sich das geändert. »Ich finde es schade, dass es keine Kneipe und kein Restaurant im Viertel gibt.« Das war nicht immer so. Mit dem Baubeginn wurde auch das ehemalige Soldatenkino renoviert, ein denkmalgeschützter Bau aus den 50er Jahren. 2001 wurde dort das »Limelight« eröffnet, eine Konzertlocation mit angeschlossenem Restaurant. Vier Jahre später musste es Insolvenz anmelden. 2009 wurde es wiedereröffnet, 2011 folgte die nächste Schließung — ein Nachbar hatte sich wegen des Lärms beschwert. 2014 bezog ein Restaurant für Eltern mit Kindern die Räume. »Das war toll eingerichtet im Stil einer belgischen Brasserie«, erinnert sich Innenausstatterin Martina Reiner. Trotzdem hat es nach kurzer Zeit schließen müssen — zu überkandidelt für die Menschen hier, glaubt Marina Reiter: »Manchmal ist weniger halt einfach mehr«.