Langsames Auseinanderleben: Scarlett Johansson und Adam Driver

»Marriage Story«

Noah Baumbach zeigt in seinem bislang besten Film Szenen einer Scheidung

Der Titel ist ein wenig irreführend, denn »Marriage Story« erzählt nicht von einer Ehe, sondern zeigt vielmehr Szenen einer Scheidung, den schmerzhaften Prozess der Trennung eines Paares mit all den daraus resultierenden Verletzungen und Fallstricken. Es ist Noah Baumbachs bislang beste Arbeit. Eine reife, lebensnahe und zeitgemäße, kluge und emotional ehrliche Auseinandersetzung mit modernen Beziehungen und Familienstrukturen, mit der sich Baumbach (»Frances Ha«) als würdiger Nachfolger Ingmar Bergmans und Woody Allens für das 21. Jahrhundert erweist.

Dabei beginnt der Film mit einer gegenseitigen Liebeserklärung. Nicole zählt auf, was sie an ihrem Mann Charlie bewundert, und er erwidert die Komplimente. Sie loben sich gegenseitig als Partner wie als Eltern, lassen aber auch die kleinen Ticks des anderen nicht aus, und erzählen aus ihrem Leben, das sie sich in New York aufgebaut haben. Auch beruflich sind sie verbunden: Adam leitet eine kleine Off-Theatertruppe, Schauspielerin Nicole ist der Star des Ensembles.

Eigentlich alles prima, könnte man meinen, doch für die Wertschätzungen und Erinnerungen gibt es einen traurigen Anlass: Nicole und Charlie sitzen beim Mediator und versuchen ein letztes Mal, ihre Ehe zu kitten — auch ihrem achtjährigen Sohn Henry zuliebe. Vergebens. Dabei gab es keinen Riesenkrach, nur unterschiedliche Wünsche und Erwartungen, ein langsames Auseinanderleben.

Kurz nach dieser Szene fliegt Nicole nach Los Angeles, sie hat eine Rolle in einer neuen Serie bekommen und nimmt Henry mit. Die beiden ziehen erstmal bei ihrer spleenigen Mutter ein, sehr zum Unwillen Charlies, der den Lebensmittelpunkt weiter in New York sieht. Und trotz aller guten Vorsätze, die Trennung in gegenseitigem Einverständnis über die Bühne zu bekommen, schalten sie schließlich doch Rechtsanwälte ein.

So beginnt ein zähes Ringen um Besuchszeiten und Geld, orchestriert durch gewiefte Vertreter einer bis ins Detail perfektionierten Scheidungsindustrie. Baumbach seziert diesen Rosenkrieg als zwischenmenschliches Drama mit schmerzhaft komischen Zügen, eine delikate Gratwanderung, die vom exzellenten Drehbuch ebenso lebt wie vom subtilen Spiel der beiden Hauptdarsteller Scarlett Johansson und Adam ­Driver. Welche Version der Beziehungsgeschichte ist wahrer: Nicoles, die ihre eigenen Ambitionen lange hintangestellt hat, oder Charlies, der sie vermeintlich in allem unterstützt hat? Eine Frage, die Baumbach klugerweise offenlässt.

Marriage Story (dto) USA 2019, R: Noah Baumbach, D: Scarlett Johansson, Adam Driver, Laura Dern, 136 Min.