Erotica mit beindruckendem Furor: »Phantasmagoria«

Gelsenkirchener Tropikalismus

Das Filmfestival »Besonders wertlos« zeigt Filme von weiblichen Irrlichtern des deutschen Kinos

Das Programm von Besonders wertlos ist auch dieses Jahr geistreich und perfekt zusammengestellt — soweit man das bei einer Veranstaltung rund um den Makel als Lob annehmen mag —, voller Überraschungen und Entdeckungen, in all dem querstehend zu einem Zeitgeist, der Originalität nur von der Stange erträgt. Hier, beim »Festival des deutschen psychotronischen Films«, ist das Kino wirklich frei und traut sich etwas. Wer mit dem Begriff »psychotronisch« nicht anfangen kann: Damit wird alles gefasst, was außerhalb der Norm gesitteten Erzählkinos liegt — von Trash bis zur Avantgarde.

Es hat sich allerdings doch etwas gewandelt im Programm: Es werden mehr Filme aus den letzten dreißig Jahren gezeigt als früher, wo der Schwerpunkt eher auf den 60er und 70er Jahren lag. Aber wer würde sich schon beschweren wollen über Peter Otts und Ted »Goldene Zitronen« Gaiers grandios unverdauliche Genre-Mixtur »Hölle Hamburg«, in der sich Krimi, Satire, Musikkomödie und Experimentalfilm eine Gute Nacht wünschen, oder über Ralf Möllenhoffs dreist-drastische Zombie-Splatter-Exerzitie »Dead Eyes Open«, in dem Doofmenschen an einen untoten Kleinbürger verfüttert werden. Beide Filme entstanden im Übrigen 2008 — ein bislang ignoriertes Wunderjahr des deutschen Films? Irgendwo in der Mitte über den beiden schwebend wäre der Platz für »Phantasmagoria« (2017) von Cosmotropia de Xam, die Erotica mit beeindruckendem Furor verquirlt.

Überhaupt huldigt Besonders wertlos dieses Jahr besonders den weiblichen Irrlichtern des deutschsprachigen Kinos. Neben de Xam sind außerdem im Programm: Kommune-1-Bewohnerin Marianne Enzensberger mit ihrem campen Vampirfilm »Der Biss« (1984), die tolle Lilly Grote mit dem surrealistischen Zwillingsschauerstück »Daily Chicken« (1997), sowie Kamera­göttin und Regie-Exzentrikerin Elfie Mikesch mit ihrer Erfindung eines Gelsenkirchener Tropikalismus »Ich denke oft an Hawaii« (1978). Abgerundet wird das durch verschroben Weibliches in Filmen von männlichen Meistern, in Klaus Lemkes Damenkapellen-Glücksrausch »Die Sweethearts« (1977) etwa oder in Helmut Käutners Wirtschaftswunderentzauberungs-Musical »Der Traum von Lieschen Müller« (1961).

Do 5.12. – So 8.12., Lichtspiele Kalk.
Infos: lichtspiele-kalk.de