»Saskia van Uylenburgh«, 1634–40, Öl auf Holz

Gelehrte, Greise und immer wieder Selfies

Zum 350. Todestag feiert das Wallraf-Richartz-Museum mit »Inside Rembrandt« den Malerstar des Barock

Rembrandt ist einer aus dem sehr kleinen Zirkel der Lebensbegleitkünstler. Der Name ist irgendwie immer schon da, eine Marke, ein Klischee, ein Mythos, eine vage Ahnung, selbst für Kunstferne und aktiv Desinteressierte. Er ist einer, den man wieder und wieder sehen kann, einer für alle Altersstufen und viele Lebenslagen.

Rembrandt gehört mit seinen Menschenbildern auch zu den wenigen, die die Jahrhunderte überbrücken. Über die Zeitenferne hinweg erwidern, so scheint es, diese vor mehr als dreieinhalb Jahrhunderten Gemalten und Gezeichneten unseren Blick. Unabhängig von Themen und Sujets erweist sich Rembrandt als Virtuose des Sehens und Vorstellens von Bewegungen aller Art — und der Übersetzung dieses Gesehenen und Vorgestellten in bewegende Bilder, in Bewegungs- und Lichtspielbilder.

63 Arbeiten Rembrandts zeigt das Walraff-Richartz-Museum unter dem nicht recht erklärlichen Titel »Inside Rembrandt«, die von rund vierzig Bildern von Kollegen und Schülern anregend flankiert werden. Man kann den fünf Akten der Ausstellung folgen, die einzelnen Themen- und Motivfeldern gewidmet und chronologisch angelegt sind, und sich ungefähr orientieren an den Lebensstationen des 1606 in der Universitätsstadt Leiden geborenen, seit Anfang der 1630er Jahre in Amsterdam ansässigen, zunächst sehr erfolgreichen und später teilruinierten, 1669 gestorbenen Künstlerunternehmers Rembrandt van Rijn. Eine Retrospektive will »Inside Rembrandt« nicht sein, ein lohnender Einblick in den Kosmos Rembrandts aber ist es allemal.

Ein Reiz der Schau liegt in den Vergleichsmöglichkeiten durch inspirierende Nachbarschaften. So leuchtet die Entwicklung des jungen Rembrandt sofort ein beim Blick auf zwei nebeneinander hängende Radierungen: Eine der ersten Druckgrafiken des knapp Zwanzigjährigen zeigt eine mit ambitioniertem Schwung entworfene, aber auch noch unsichere und steife »Beschneidung Christi«. Daneben ist eine fünf Jahre später entstandene winzige Grafik zum gleichen Thema zu sehen. Nun ist alles ein Ereignis aus Licht, heiligem Dampf, Andacht und Säuglingsgeschrei, ein Zusammenspiel bewegter Linien. An anderer Stelle können zwei um 1630 entstandene Greisenportraits verglichen werden, ein nicht nur Rembrandt faszinierendes und in der Ausstellung breiten Raum einnehmendes Sujet. Gerrit Dou arbeitet jede Falte, jeden Reflex, jedes Haar seiner »Alten Frau mit Pelzmütze« mit feinstem Pinselstrich geduldig heraus, während Rembrandts »Alter Mann mit hoher Mütze« nur stellenweise lockerer Feinmalerei verpflichtet ist, in weiten Teilen aber lässt der Meister großzügig den Pinsel laufen, entwickelt seine ungemein lebendige Darstellung aus einem bravourösen Zusammenspiel von Licht und Materie, was die Eigenart seiner Malkunst deutlich macht.

Dreh- und Angelpunkt der Ausstellung ist Rembrandts »Der Gelehrte im Studierzimmer«. 1634 entstand dieses repräsentative, aus der Prager Nationalgalerie entliehene Demonstrationsprunkstück seiner künstlerischen Fähigkeiten: Es zeigt den für einen Moment seine Lektüre unterbrechenden älteren Herrn, sein intensiver, fragender Blick trifft jeden, der ihn sieht. Die gekonnte Wiedergabe diverser Textilien und anderer Materialitäten versteht sich von selbst; alles leuchtet, nichts ist zu viel an diesem Bild mit dem Rembrandt um Kundschaft, um Sammler warbt. Dieser »Gelehrte« hat in der Ausstellung zahlreiche Kollegen. Heilige, Narren, Studenten, Namenlose grübeln in ihren Studierstuben. Sie belegen das große Interesse der Zeit an Bildung, am Ideal des Gelehrten.

Rembrandts Prager »Gelehrte« ist ein Kostümstück, nicht das Porträt eines identifizierbaren Intellektuellen sondern die Darstellung eines aus anderen Werken bekannten männlichen Modells. Rollenspiel, Inszenierung, Posing sind dem von der Scheinhaftigkeit der Welt überzeugten Zeitalter Rembrandts ebenso vertraut wie der Gegenwart. Sie ziehen sie sich in verschiedenen Varianten durch die Ausstellung. Eindrucksvoll und leicht nachvollziehbar ist dies in den bei zeitgenössischen Sammlern begehrten Selbstbildnissen Rembrandts — die im Einzelfall auch von seinen Mitarbeitern angefertigt werden konnten. Passendes Schlussstück der Ausstellung und diskret platziertes Gegengewicht zum zentral präsentierten »Gelehrten« ist das späte Kölner »Selbstbildnis als Zeuxis«. Wenige Jahre vor dem Tod Rembrandts entstand dieses introvertierte Spätwerk, ein in seiner Bedeutung umrätseltes Stück massiver Malerei, ein gebrochenes Goldlichtendspiel.

Wallraf-Richartz-Museum, Di–So 10–18, jeden 1. und 3. Do im Monat 10–22 Uhr, bis 1.3.20.

Katalog 29,95 Euro, Comic »Rembrandt und Frosch« 5 Euro, eine Hörspiel-Tour für Kinder kann kostenlos ausgeliehen werden.