Krieg ohne Helden: George MacKay

»1917«

Sam Mendes erzählt packend von zwei Stunden auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs

Nordfrankreich, 6. April 1917. Der Erste Weltkrieg ist im dritten Jahr, Briten und Deutsche bekämpfen sich fernab der Heimat. Zwei junge britische Soldaten sollen sich durch feindliches Niemandsland zu zwei Bataillonen durchkämpfen, um sie vor einer tödlichen Falle der Deutschen zu warnen. 1600 Menschenleben hängen vom Gelingen ihrer Mission ab, für die ihnen nur wenige Stunden bleibt. Blake und Schofield zwängen sich durch die engen Schützengräben an hunderten Kameraden vorbei, kriechen durch Stacheldrähte, stolpern durch unübersichtliche Ruinenlandschaften oder auf offenem Gelände an Pferdekadavern vorbei, immer in der Gefahr, entdeckt und abgeschossen zu werden.

Der filmische Clou: Regisseur Sam Mendes (»American Beauty«, »James Bond 007: Skyfall«), dessen Großvater selber an der belgischen Front gekämpft hat, inszeniert das Rennen gegen die Uhr in »Echtzeit« ohne sichtbare Schnitte. Die Kamera von Roger Deakins kreist um die Protagonisten, öffnet auch mal den Blick auf die Weite des Schlachtfelds, weicht aber in der zweistündigen Plansequenz bis auf eine handlungsbedingte Unterbrechung nie vom Geschehen ab.

Der Plot ist also so geradeaus und eindeutig wie der Befehl an die Soldaten, keine Nebenhandlung, keine Rückblenden. Zwar kreuzen immer wieder andere Soldaten den Weg, teils prominent besetzt
(Benedict Cumberbatch, Colin Firth), doch nur für wenige Minuten, gerade lange genug, um sich
als Zuschauer zu fragen, was eigentlich deren Geschichte ist. Die Leinwand gehört ganz den beiden Hauptdarstellern, allen voran George MacKay, der hier buchstäblich eine Tour de force absolviert.

Trotz seiner technischen Ambition und Raffinesse und der simulierten Echtzeit ist Sam Mendes‘ Kriegsthriller aber kein bloßer Kinogimmick, bei dem man nach den versteckten Schnitten sucht oder über scheinbar unmögliche Kamerabewegungen staunt. »1917« ermöglicht eine im besten Sinne manipulative Immersion in die Abgründe des Krieges. Heldenpathos ist Mendes Sache nicht, er macht mehr als einmal deutlich, dass meist nur der Zufall entscheidet, wer am Ende überlebt. Ein Klassiker des Genres schon jetzt.

 

(dto) GB/USA 2019, R: Sam Mendes, D: Georg MacKay, Dean-Charles Chapman, Colin Firth, 118 Min.