Hört Träume: Selim Özdogan

Ein Album als Indiz

Selim Özdogan schickt einen HipHop-Fan als Ermittler ins Drogenmilieu

»Wer war ich gewesen, als Regulate … G Funk Era erschien? Illmatic, Tical, Direkt aus Rödelheim. Ich erinnere mich, wie groß die Welt war und wie groß meine Träume«, sagt Nizar Benali über seine Jugend in den 90er Jahren. HipHop ist der Lebensmittelpunkt für den auf Cyberverbrechen spezialisierten Privatermittler in Selim Özdogans neuem Roman »Der die Träume hört«. Seine gesamte Biografie organisiert Nizar anhand vonAlben und Tracks: »Mit HipHop hat es angefangen, in der Nacht, in der wir ihn gezeugt haben.« Lesane, seinen Sohn mit dem One-Night-Stand Ayleen, lernt Nizar erst siebzehn Jahre später kennen. »Was hörst du denn so«, will er beim ersten Treffen von Lesane wissen. »Haftbefehl, Xatar, SSIO, PA Sports, KMG.« — »Ich nicke.« Musik verbindet die beiden Generationen von »Schwarzköpfen«, schützt vor den Ausgrenzungen der »Weißbrote« und beschreibt die Kämpfe, die beide Generationen führen.

»Für die meisten Menschen ist der erste Zugang zu einer Sprache über den Klang«, hat Özdogan in einem Interview mit rap.de gesagt, um die Bedeutung von HipHop für sein Schreiben zu erklären. »Ich war schon immer fasziniert von Sprache, von ihrem Rhythmus, von ihren Möglichkeiten, von ihrer Kraft, von den Bildern, die sie in meinem Kopf entwerfen konnte. Mit dieser Faszination scheint es naheliegend, dass ich Raphörer bin.« HipHop strukturiert nicht nur die Biografie des Ermittlers Nizar Benali, sondern auch den Roman, Rückblenden werden mit Albumtitel eingeordnet, Zitate und Anspielungen eröffnen Zusammenhänge. Nizar ermittelt im Drogenmilieu der dritten Einwanderer-Generation, und dabei dringt er auch immer weiter in seine eigene Vergangenheit zwischen Drogenhandel und Schutzgelderpressung vor. und auch Nizars Sohn Lesane ist verwickelt in die Szene, die Nizar Benali hinter sich gelassen hatte.

Selim Özdogan erzählt aus Perspektiven, die sonst eher Betrachtung soziologischer Studien sind: Er thematisiert die Schwierigkeit des sozialen Aufstiegs für Menschen mit Migrationsbiografie, und er spielt wie kaum ein zweiter Autor hierzulande mit der Sprache und dem Rhythmus von HipHop. Beim 1. Kölner Leseclubfestival wird Özdogan »Der die Träume hört« sich als einer von vier Autoren mit den Lektüreerfahrungen von 20 Lesern auseinandersetzen, »in lockerer Atmosphäre, auf Augenhöhe, samt Tiefgangspotential, bei Drinks.« Und sicher auch mit HipHop.

 

Selim Özdogan: »Der die Träume hört« ,Nautilus, 286 S., 18 Euro.