Auf ein Bierchen mit dem Bürgermeisterchen: OB-Kandidat Thor Zimmermann im Brauhaus

Mindestens Oberbürger-­Vizemeister

Thor Zimmermann von der Wählergruppe Gut tritt im Herbst als OB-Kandidat gegen Henriette Reker an

Wenn ein Ratspolitiker den Journalisten ins Brauhaus bittet, Kölsch und Schweinshaxe bestellt und von der kölschen Mentalität schwärmt, stellt man sich einen etablierten Kommunalpolitiker vor. Ist Thor Zimmermann von der Wählergruppe Gut etwa so einer?

Einerseits, ja. Seit elf Jahren sitzt er im Rat. Seine Reden sind manchmal staatstragend, etwa wenn es um Klimaschutz oder die Verkehrswende geht oder er Rassismus anprangert. Er und sein Kollege Tobias Scholz von der Gruppe Gut sind im Rat Zünglein an der Waage. Die Koalition von CDU und Grünen besitzt keine Mehrheit, ist auf Stimmen der FDP angewiesen — oder auf die von Zimmermann und Scholz.

100.000 neue Bäume, Ökostrom-Genossenschaft, Off-Kultur

Andererseits gilt Zimmermann auch nach elf Jahren noch als Querdenker. Er bringt Themen auf die Tagesordnung, die sonst nicht dort stünden. Mit ihnen will Zimmermann im September Oberbürgermeister werden: Köln soll bis 2030 klimaneutral sein und 100.000 neue Bäume pflanzen, der Autoverkehr soll auf zehn Prozent reduziert werden. Es soll einen zweiten städtischen Energieversorger neben der Rheinenergie geben, eine Ökostrom-Genossenschaft. Clubszene und Off-Kultur sollen gestärkt werden, der Eintritt in städtische Museen kostenlos sein. Zimmermann will, dass mehr Kitas gebaut und auch Horte gefördert werden, das Essen soll besser werden und öfter vegetarisch sein. Es gibt viele Initiativen, die sich hinter all dem versammeln könnten.

2015 hatte Zimmermann die Kandidatur von Henriette Reker als Oberbürgermeisterin unterstützt. Heute betont er seine Wertschätzung für Reker als Menschen, doch vieles passt ihm nicht: »Mir sind da zu wenig politische Ideen.« Ihre Bekenntnisse zu Klimaschutz und Verkehrswende sind ihm nicht deutlich genug. »Ich habe auch noch kein klares Statement gegen eine Erweiterung des FC-Geländes in den Grüngürtel gehört. Außerdem will Frau Reker die neue U-Bahn — wir wollen oberirdisch bleiben, das ist billiger, geht schneller und bringt mehr für die Menschen.«

Nach fünf Jahren Reker ist Zimmermann ernüchtert, ein Gefühl, das er mit anderen ehemaligen Unterstützern der Oberbürgermeisterin teilt. Die CDU ist zufrieden, bei den Grünen rumort es. Erst nach langen Gesprächen mit Reker rang man sich zu einer erneuten Unterstützung durch.

Eine Alternative für die Enttäuschten

Für die von Reker Enttäuschten wäre Zimmermann eine Alternative. Mit den zweitmeisten Stimmen hinter Reker käme er im September in die Stichwahl. Er müsste mehr Stimmen als ein SPD-Kandidat bekommen — die Chancen stehen nicht gut. »Selbst wenn ich nicht in die Stichwahl komme, aber ein gutes Ergebnis erziele, könnten mein Team und ich eine Wahlempfehlung aussprechen«, sagt Zimmermann. »Die wäre aber an Bedingungen für die weitere Zusammenarbeit im Rat geknüpft.«

Dafür müsste Zimmermann erstmal bekannter werden. Aber er ist niemand, der mit markigen Sprüchen auffällt. Doch vielleicht schätzen mehr Menschen die rhetorische Zimmerlautstärke, auch als Gegenentwurf zum rechten Populismus.

Zimmermann redet überlegt, macht Pausen, denkt nach. Entscheidungs­findungen erzählt er nicht vom Ende her, sondern sagt: »Da muss ich etwas ausholen, ja?« So, als solle der Zuhörer nachvollziehen können, was es alles abzuwägen galt. Er legt dann das Besteck zur Seite, so dass man sich sorgt, dass das Essen kalt wird.

Die elf Jahre Stadtrat, sagt Zimmermann, hätten nicht seine politische Haltung verändert. »Aber ich habe Wertschätzung für die politische Arbeit gelernt, auch gegenüber manchem Gegner. Ich habe auch Verständnis für Langsam­keiten entwickelt, Demokratie braucht Zeit.« Dennoch müsse ­vieles schneller gehen. Etwa der beschlossene Ausbau des Niehler Gürtels als Park und Strecke für Radfahrer und Fußgänger. »Und die Stadt muss endlich Konsequenzen aus dem beschlossenen Klimanotstand ziehen!«.

Das »Bürgermeisterchen«

Geboren wurde Zimmermann 1966 in Oslo, als er zwei Jahre alt war, zog die Familie nach Sindelfingen. 1986 machte er Abitur, war in der Friedensbewegung, kurz bei den Grünen, zog dann nach Köln. »Eine Befreiung!«, sagt er. »Als ich gesehen habe, dass selbst Bankangestellte an Karneval verkleidet sind, wusste ich, hier bin ich richtig.«

Wäre er auch richtig im OB-Büro? Könnte er einer Verwaltung mit 19.000 Mitarbeitern vorstehen, repräsentative Aufgaben erfüllen, Wirtschaftsdelegationen empfangen, auf Immobilienmessen Kontakte knüpfen? »Ach, das würde bei mir gar nicht mehr gehen, ich fliege zu keiner Messe in Brasilien!« Wenn er so redet, wirkt Zimmermann mit 53 Jahren dann doch wie ein junger Wilder. Fast sind das markige Sprüche. Schreckt er manchmal nachts aus dem Schlaf, weil er im Traum Kölner OB ist? Nein, sagt Zimmermann, davon träume er nicht. Er sagt es so, als ob das auch gar kein Alptraum sei. Irritiert hätte ihn aber, dass seine Tochter ihn neuerdings mit »Bürgermeisterchen« anrede.