»Die Lage ist doch recht eindeutig«: Friedrich-Ebert-Ufer in Porz

#Nachname bekannt

Ein CDU-Lokalpolitiker hat in Porz auf einen 20-Jährigen geschossen

 

Wenn Porz einmal in den bundesweiten Medien ist, dann geht es für gewöhnlich um einen Stau am Dreieck Porz. Im Januar war der Stadtteil im Rechtsrheinischen aber aus einem anderen Grund präsent: einem Lokalpolitiker, der für die CDU in der Bezirksvertretung sitzt. Dessen Nachname trendete in der ersten Januarwoche auf Twitter. Der Grund: Er soll Ende Dezember auf einen 20-Jährigen geschossen und ihn dabei an der Schulter verletzt haben.

Vorausgegangen sei ein Streit vor dem Haus des 72 Jahre alten Verdächtigen am Friedrich-Ebert-Ufer in Porz. Die Straße am Rheinufer ist ein beliebter Treffpunkt für junge Menschen, die dort oft bis spät in die Nacht sitzen. In der Nacht zum 30. Dezember saßen das Opfer, ein Deutscher mit polnischem Migrationshintergrund, und drei seiner Freunde dort zusammen. Der Politiker, ein Rentner, soll sich offenbar vom Lärm der jungen Menschen gestört gefühlt haben, und lief mit einer Schusswaffe in der Hand über sein Grundstück zu ihnen. Dem WDR gegenüber erklärte das Opfer, der CDU-Politiker habe dabei »Haut ab, ihr dreckigen Kanacken« gerufen. Wie genau es dann zum Schuss kam, ist unklar. Fest steht aber, dass eine Kugel aus der Waffe des Politikers den 20-Jährigen an der Schulter getroffen hat. Er wurde daraufhin im Krankenhaus Merheim behandelt.

Bei einer späteren Durchsuchung des Hauses des Politikers, der auch als Sportschütze aktiv war, wurden insgesamt fünf Waffen gefunden. Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen des Verdachts der schweren Körperverletzung, mittlerweile ist er wieder auf freiem Fuß. »Es besteht keine Fluchtgefahr und damit kein Haftgrund«, sagt Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn, der für politische Strafsachen zuständig ist.

Die Kölner Lokalpresse hatte früh über den Fall berichtet, aber — wie presserechtlich üblich — den Namen des Verdächtigen nicht genannt. Überregionale Medien hatten das Thema zuerst ignoriert und sich lieber der Debatte um angebliche Ausschreitungen gegen Polizisten in der Leipziger Silvesternacht gewidmet. Einzelne Twitter-Nutzer wurden jedoch in der ersten Januarwoche auf den Schuss in Porz aufmerksam und forderten Konsequenzen — zuerst unter dem Hashtag #niemehrcdu, dann unter dem Hashtag des Nachnamen des Verdächtigen.

Den verwendete auch der CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak, als er twitterte: »Gewalt darf keinen Platz in unserer Gesellschaft haben.« Das rief den Kölner Medienanwalt des Verdächtigen auf den Plan: Ralf Höcker, bekannt aus Funk und Fernsehen. Er bezeichnete Ziemiaks Tweet als »rechtswidrig« und forderte den CDU-Generalsekretär auf »abzuwarten, was WIRKLICH passiert ist«. Ziemiak löschte seinen Tweet. Damit war das Bild komplett. Höcker, der auch Pressesprecher der rechten CDU-Gruppe »Werteunion« ist, verteidigt einen CDU-Lokalpolitiker, dem vorgeworfen wird, aus rassistischen Motiven einen jungen Mann angeschossen zu haben.

Sein Mandant sei in den sozialen Medien »als vermeintlich schießwütiger Nazirentner falsch beschuldigt und vorverurteilt worden«, sagt Höcker. Deshalb habe er als sein Anwalt sich öffentlich positioniert. Bislang hat der CDU-Politiker aber für sich behalten, was »wirklich passiert« sein soll. Er wolle sich erst äußern, wenn die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen beendet habe, sagt Höcker. Staatsanwalt Ulf Willuhn ist jedoch skeptisch, ob eine Aussage des Politikers am Ermittlungsstand noch viel ändern würde: »Die Lage ist doch recht eindeutig.« Weitere Details will er mit Hinweis auf das laufende Verfahren nicht nennen.

Der Fall verschaffte jedoch auch einer alten Geschichte neue Aufmerksamkeit. 2014 wurde der Porzer CDU-Politiker Henk van Benthem zum Bezirksbürgermeister gewählt. Die entscheidende Stimme kam von der rechtsextremen Wählergruppe Pro Köln. Nach außen hin wirkte die Porzer CDU nun wie ein Hort des Rechtsextremismus — auch weil sie lange zu den Vorwürfen gegen ihr Parteimitglied schwieg. Erst am 9. Januar, zehn Tage nach der Tat, erklärten der Kölner CDU-Vorsitzende Bernd Petelkau und der Porzer Fraktionschef Werner Marx: »Konflikte dürfen in unserem Land nicht mit Gewalt gelöst werden.« Außerdem sagten sie, dass der Verdächtige sein Mandat in der Bezirksvertretung Porz bis zu den Kommunalwahlen im September ruhen lasse; schon vor dem Vorfall stand fest, dass er dort nicht wieder kandidiert.

Über die Frage nach der Parteizugehörigkeit des Verdächtigen gerieten jedoch die Hintergründe der Tat in Porz aus dem Blickfeld. »In Porz gibt es kaum Plätze für Jugendliche«, sagt der Sozialarbeiter Philipp Neuhaus vom Straßenkinda Movement. Das Friedrich-Ebert-Ufer sei ein guter Rückzugsort für sie, weil es direkt am Rhein liegt und die meisten Anwohner etwas entfernt wohnen. Trotzdem komme es immer wieder zu Konflikten mit älteren Porzern, bei denen Neuhaus und sein Team zu vermitteln versuchen. Seit dem Schuss vor Silvester ist das schwieriger geworden. »Die Jugendlichen sagen, dass der Verdächtige nur auf freiem Fuß ist, weil er Politiker sei«, erzählt er. »Die Jugendlichen haben das Gefühl, dass sie in U-Haft säßen, wenn sie selber geschossen hätten.«