Soziales Netz, aber kein Dach: Nick Gebauer und Katja Bechtel in ihrer Wohnung

Dach und Krach

In Ehrenfeld renoviert eine Vermieterin die Wohnung eines Paars — während es noch dort wohnt

Als es an einem Montagmorgen Anfang Januar an ihrer Tür klingelt, ahnen Katja Bechtel und Rick Gebauer nicht, dass ihrem Zuhause bald Decke und Wände fehlen werden. »Wir waren in unserer Wohnung und Bauarbeiter haben angefangen, das Dach über uns abzu­tra­gen«, erzählt Gebauer. Auf ­seinem Handy zeigt er Fotos von zusammengeschobenen Möbeln, spärlich abgedeckt von einer grünen Plane. Zimmerpflanzen und Schallplatten liegen unter Bauschutt und Staub.

Seit fünf Jahren wohnt Katja Bechtel in der Wohnung an der Leyendeckerstraße in Ehrenfeld, ihr Lebensgefährte Rick Gebauer ist ihr Untermieter. Im März 2019 hatte die Vermieterin dem Paar mitgeteilt, dass sie »Sanierungs- und Instandsetzungsarbeiten« am Altbau durchführen werde. Aus Brandschutzgründen sollte ein Fenster als Notausstieg in ihrer Wohnung umgebaut werden. Außerdem sollte das Dachgeschoss über der Wohnung von Bechtel und Gebauer zu einer neuen Wohnung ausgebaut werden. Nach einem Gespräch zwischen Vermieterin und Mietern im September habe sich das Paar bereiterklärt, für die Zeit eines Umbaus in eine kleinere Wohnung im Erdgeschoss des Hauses zu ziehen. »Das war ein Entgegenkommen unsererseits«, sagt Bechtel.

Das Paar holte sich juristischen Rat beim Mieterverein. Denn was Bechtel und Gebauer nach dem Gespräch weiterhin fehlte, war eine schriftliche Zusage, dass in ihrer Wohnung nichts grundlegend verändert werde und der Wohnungswechsel zeitlich begrenzt ist. Auch als die Vermieterin im November erstmals eine Vereinbarung über den Umzug vorgelegt habe, habe weiterhin eine Erklärung gefehlt, wie die bisherige Wohnung von Bechtel und Gebauer nach dem Umbau aussehen würde. Das Paar habe der Vermieterin daraufhin selbst einen Vorschlag für eine schriftliche Vereinbarung unterbreitet — eine Antwort blieb aus. Bis heute warten Katja Bechtel und Rick Gebauer darauf.

In einer E-Mail von Mitte Dezember 2019 schrieb die Vermieterin schließlich erstmals von einer Modernisierung des Hauses, nicht bloß von einer Sanierung. Das habe sie beunruhigt, sagen Bechtel und Gebauer. In der ersten Januarwoche sollte der Umzug stattfinden und die Bauarbeiten beginnen. Am 4. Januar, drei Tage bevor sich Bauarbeiter Zutritt zu der Wohnung verschaffen sollten, habe die Vermieterin auch einen letzten Termin für eine Übereinkunft platzen lassen, erzählt Bechtel. Daraufhin habe sie der Vermieterin mitgeteilt, dass das Paar ohne schriftliche Vereinbarung nicht umziehen werde. »Sie hat unser Anliegen einfach übergangen. Das ist Gutsherrenverhalten«, sagt Rick Gebauer.

Am Montagmorgen sei es »nur noch darum gegangen, uns so schnell wie möglich aus der Wohnung zu bekommen. Wir fühlten uns richtig unter Druck gesetzt«, sagt Bechtel. »Wir haben montags einige unserer Sachen in Sicherheit gebracht, über uns fielen bereits Balken auf unsere Decke «, sagt Gebauer. Während das Paar am Dienstag die Wohnung wegen eines Termins beim Anwalt verlassen hatte, habe die kalte Räumung stattgefunden. Erst wurden Wände entfernt, am nächsten Tag die komplette Decke. Bauarbeiter seien vom Baugerüst in die Wohnung eingestiegen und hätten Möbel und Eigentum zusammengeschoben, notdürftig mit einer Plastikplane abgedeckt. Ihre eigene Wohnung war für die Mieter Katja Bechtel und Rick Gebauer danach unbewohnbar. »Wir hatten Glück, dass wir ein gutes soziales Netz haben, das uns aufgefangen hat«, sagt Gebauer.

Die Vermieterin ließ eine schriftliche Anfrage der Stadtrevue unbeantwortet. Auch Bechtel und Gebauer haben seit Anfang Januar keinen persönlichen Kontakt zu ihr. Anfang Februar erhielt Bechtel per Post jedoch die fristlose Kündigung ihres Mietvertrags. »Wir wollen in unsere Wohnung zurück«, sagt Bechtel. »Wir möchten die nachbarschaftliche Gemeinschaft nicht verlassen, die stets solidarisch war. Wir wohnen gerne dort.«