Ist das noch Kunst? »Bomb« am Schauspiel Köln, Foto: Birgit Hupfeld

Wir Kriegsgeilen

Lily Sykes inszeniert mit »Bomb« eindrucksvolles Meta-Theater über Krieg und Kunst

Eine junge Frau hockt in einem Aquarium auf einer dieser vielen Kunst-Biennalen. Sie reißt sich die Haare aus und klebt sie sich mit Wachs an den Körper. »Ikarus« heißt die Performance, die hier als Aufhänger des neuen Stücks von Maya Arad Yasur dient. Die Performance selbst jedoch wird gar nicht gezeigt. Gezeigt werden hier nur ihre Betrachter, sechs feingeistige Intellektuelle, die der Performance beiwohnen und diese dann den Zuschauern im Depot 2 schildern. Ein Stück im Stück, ein Kunstwerk über die Kunst.

Es ist eine alte, immer wieder aktuelle Frage, die hier verhandelt wird: Welche moralische Verantwortung hat die Kunst, welche ihre Betrachter bei der Auseinandersetzung mit dem Krieg? Denn natürlich, da sind sich die sechs Kritiker auf der Bühne einig, muss die Performance etwas mit den persönlichen Traumatisierungen zu tun haben, die der Künstlerin aus dem Kriegsgebiet — vielleicht Bagdad oder Gaza — widerfahren sind.

Anfangs lümmeln sie noch gelangweilt auf ihren Plastikhockern, die auf der Bühne um einen riesigen Atompilz aufgereiht sind. Später ereifern sich die sechs dann immer mehr und suhlen sich in immer neuen Kriegsgeschichten, die die Perfomance erklären sollen: Über den Vater der Künstlerin, der als Soldat nur durch Zufall einen Bombenangriff überlebt und emotional abstumpft. Über einen Jungen, der mit der Kamera seines verstorbenen Vaters das Kriegsgeschehen einfängt. Oder über Eatherly, ein vom Krieg sexuell erregter Kampfpilot, der aber moralische Bedenken hat, als er eine Bombe über einer Schule abwerfen soll.

Sexuell erregt wirkt dann auch das Ensemble, das sich von der Kritikerschar zum vielstimmigen Kriegsbataillon wandelt. Die Performance der Künstlerin dient diesen gelangweilten Intellektuellen als Stimulanz, um sich in immer grelleren Bildern und Phrasen ein Narrativ des Krieges zu basteln und sich daran zu ergötzen. Regisseurin Lily Sykes schafft es in diesen knappen zwei Stunden zwischen Krisengebiet und Kunstgalerie, die Intensität durch morbide Bilder und absurd-komische Einschübe hochzuhalten. Doch dem Publikum bleibt das Lachen im Halse stecken, sitzt es mit den Kunstkonsumenten auf der Bühne doch im selben Boot. Klare Antworten auf die Frage nach der Darstellbarkeit von Krieg liefert das Stück nicht. Dafür aber eine lebendige, eine raffinierte Auseinandersetzung. »Ist das überhaupt Kunst«, fragt Nikolaus Benda am Ende noch.