Bürgerrechte in Zeiten von Corona | Illustration: Elke Schwirtheim

Das Infektiöse ist politisch

Handhygiene ist wichtig, Bürgerrechte verteidigen aber auch. Ein Kommentar

Händewaschen ist Bürgerpflicht. Das gilt nicht nur zu Corona-­Zeiten, sondern sie ist auch sonst ein Gradmesser für gesellschaft­liche Zivilisiertheit. Während der Virus-Krise ist es aber auch die bessere Zigarettenpause — unterstützt von Internetseiten wie washyourlyrics.com, mit denen man Texte von Popsongs oder den Waschmonolog von Lady Macbeth auswendig lernen kann, damit einem beim Händeschrubben nicht langweilig wird.

Aber Händewaschen kann eine Übersprungshandlung sein. Nicht umsonst waschen ja ausgerechnet die historischen Figuren, die sich etwas unwohl in ihrer Rolle fühlen, ihre Hände in Unschuld. Genau, Pontius Pilatus, ich rede von Dir! Auch in der Corona-Krise erkennt man dieses Muster. Zigtausende Bundesbürger wiederholen auf Social Media die Botschaften des Gesundheitsministeriums und der Kanzlerin, um mit der eigenen Unsicherheit wenigstens ein bisschen klarzukommen: Bleibt drinnen, und vor allem: wascht euch die Hände!

Nur ist die ganze Händewascherei und das Drinnenbleiben kein Selbstzweck. Sie sollen uns Bürger handlungsfähig und gesund halten, damit wir wichtigeren Bürgerpflichten nachkommen können: der Verteidigung unserer Rechte etwa oder der Kritik ökonomischer Ungleichheit. Dementsprechend beunruhigend ist die Ruhe, mit der die meisten Deutschen gerade eine starke Einschränkung ihrer Grundrechte hinnehmen. Im März beschloss die Bundesregierung etwa, dass es okay sei, sich etwa auf dem Nippeser Wochenmarkt oder in überfüllten Büros zu drängeln. Aber auf der Straße zu demonstrieren, das ist uns nicht mehr gestattet. Auch das Infektiöse ist offenbar hochgradig politisch.

Die NRW-Landesregierung, will sich per Gesetz weitreichende Eingriffe in die Grundrechte sichern. Wir befinden uns am Vorabend einer großen Wirtschaftskrise, die soziale Verwerfungen mit sich bringen dürfte, die die BRD in ihrer 70-jährigen Geschichte noch nicht erlebt hat. Gegen autoritäre Maßnahmen und für eine gerechte Lösung dieser Krise zu protestieren, ist auch in Corona-Zeiten unser gutes Recht — im Netz, in den Medien und wenn man es wieder verantworten kann, auch auf der Straße: Seit' an Seit', aber mit ordentlich Abstand und am besten mit Atemschutzmaske vermummt. Und natürlich erst, nachdem wir uns die Hände gewaschen haben.

Die Corona-Krise geht auch an der Stadtrevue nicht spurlos vorbei. Auch uns sind wichtige Einnahmen weggebrochen. Auf stadtrevue.de/support könnt ihr uns unterstützen. Danke!