MacBook Prost: »Spricht man hier eigentlich mehr als in der echten Kneipe?«

»Wie stößt man denn jetzt an?«

Die Kneipen sind dicht, was tun? Wie trifft man sich in Zeiten der Corona-Krise auf ein paar Absacker und einen Plausch? Wir haben es mit einer Videokonferenz versucht

Bernd: Sorry für die Verspätung!

Jan: Bahn verpasst?

Bernd: Sehr witzig. Hast du schon was zu trinken?

Jan: Ich wusste nicht, ob man damit wartet, bis man den anderen sieht. Wie stößt man denn jetzt an?

Bernd: Am besten nichts über die Tastatur schütten. Was trinkst du?

Jan: Augustiner. Hat’s irgendwie in den Kühlschrank geschafft. Und selbst?

Bernd: Eiswein, edelsüß. Größte deutsche Weinkellerei. Hab’s aus’m Supermarkt. Bin nicht stolz drauf.

Jan: Hier brummt’s. Ist das Dörthe?

Bernd: Ich glaube, das ist mein Rechner. Oder die NSA. So lange klopft ja niemand an, wie das hier brummt.

Jan: Na, wenn man nicht reingelassen wird, vielleicht schon.

Bernd: Blöd, dass man selbst für die Getränke sorgen muss. Aber
es riecht hier besser als in der Kneipe. Hoffentlich. Kann man Kneipen eigentlich am Geruch erkennen?

Jan: Das ist was für die Saalwette. Komische Kneipe hier, läuft gar keine Musik.

Bernd: Machst du mal den DJ?

Jan: Ich hab’ einen Spotify-Account. (Musik geht an)

Bernd: Was hast du? Bodybuilder-Sounds?

Jan: (lauter) Einen Spotify-Account!

Bernd: Ach so. Klingt aber nach Bodybuil..

Jan: Hallo? Ich hör dich nicht mehr, wenn ich hier Musik an mache.

Bernd: Wie in der echten Kneipe. Lass ruhig.

Jan: Hörst du mich überhaupt?!

Bernd: Etwa jedes dritte Wort.

Jan: Das reicht ja. (Pause) Ich sehe dich und mich gleich groß auf dem Bildschirm. Das ist keine reale Atmosphäre.

Bernd: Ich könnte mich auch seitlich setzen, dann hat das mehr Tresenstehen-Feeling.

Jan: Ich hab letztens gesehen, es gibt extra Mode-Empfehlungen für Videokonferenzen. Vermutlich keine Hosen. Daran werden wir
uns ja noch ein wenig gewöhnen müssen.

Bernd: Findest du’s schlimm?

Jan: Ich weiß nicht. Alles vom alten Leben brauche ich auch nicht zurück.

Es klingelt.

Jan: Das ist Dörthe!

Bernd: Jetzt müsste sie drin sein.

Dörthe: Hä, hat mein Rechner kein Mikro?

Bernd: Doch! Wir hören dich.

Dörthe: Hört ihr mich? (Pause) Warum funktioniert das denn nicht? Ah, jetzt. Sorry für die ­Verspätung.

Bernd: Bahn verpasst?

Jan: Zu spät kommen ist hier nicht schlimm. Man ist ja eh zu Hause. Besser als wenn man bei drei Grad im Regen vor einer Kneipe wartet.

Dörthe: Früher in Wuppertal haben wir uns immer vorm Info-Center am Hauptbahnhof getroffen. Das war überdacht.

Bernd: Info-Center?! Guter Punkbandname.

Dörthe: Mir fehlen hier die anderen Menschen.

Bernd: (empört) Aber wir sind
doch da!

Dörthe: Ich meine die, die man nicht kennt. Zu denen man sich Geschichten ausdenken kann.

Jan: Die ganzen Beobachtungsstudien fallen weg. Nichts gegen euch, aber in so einer digitalen Runde hält man es niemals so lange aus wie in einer echten Kneipe.

Dörthe: Was mir eigentlich an Kneipen gefällt, ist das schummerige Licht. Hier ist es mir zu hell. Ich mach’s mal dunkel. (knipst ihre Schreibtischlampe aus)

Bernd: Ui! Sieht aus wie »Blair Witch Project«. (verstellte Stimme) Hilfe, ich will hier raus, das ist gar keine echte Kneipe!

Dörthe: (knipst Licht wieder an) Ach, guck’ mal, du trinkst ja nebenbei noch Wasser, Bernd.

Jan: Das mit dem Zwischenwasser geht hier natürlich leichter.

Bernd: Eiswein löscht ja keinen Durst.

Dörthe: Schnaps macht auch Durst. Nach mehr Schnaps.

(Gesang im Hintergrund: Bier und ’n Apfelkorn...)

Bernd: Habe ich schon vom »Moped« erzählt? Ich werde langsam redselig. Im Bürgerzentrum damals ist ein Freund zur Theke gegangen und wollte ein Moped. Der Wirt wusste nicht, was das ist, und mein Kumpel meinte, dass das doch jetzt jeder trinke: Korn mit Fanta — und drei Eiswürfel! Hat schrecklich geschmeckt, das Getränk gab’s natürlich nicht in echt. Aber beim nächsten Mal stand das auf der Tafel.

Dörthe: So muss Hugo entstanden sein.

Bernd: Ich muss jetzt zum Kühlschrank. Das ist der Moment, wo in der Kneipe die anderen aufs Handy schauen. Das finde ich immer traurig, wenn ich das bei Paaren sehe. Einer geht aufs Klo, der andere hängt direkt am Handy.

Dörthe: Besser als vorher schon.

Jan: Ich trink jetzt unfiltriertes Eifler Landbier. Eigentlich müsste man ja jetzt ein Start-up gründen und fürs Online-Trinken Getränkeboxen an alle Teilnehmer ausliefern. Ich kann euch ja gar nicht probieren lassen und ihr könnt es auch nicht bestellen.

Dörthe: Spricht man hier eigentlich mehr als in der echten Kneipe?

Jan: Ich glaub schon. Es fehlen ja die Momente, in denen man bloß andere Menschen angafft.

Dörthe: Oder man in Erinnerungen schwelgt, wenn man ein Lied hört.

Bernd: Jan, wie viel Bier hast du denn jetzt getrunken? Kommt auch nicht in die Zeitung!

Jan: Zwei halbe Liter.

Bernd: Das is’ nicht so viel.

Jan: Das Gute am Online-Trinken ist, dass einen niemand ins Unglück reißt und eine Runde Schnaps nach der anderen bestellt.