Gespenstisch aktuell: Simulation des Ernstfalls

Master Of Disaster

Ein Kölner Dokumentarfilm zeigt, wie störanfällig unsere komplexen Gesellschaften sind

Die Corona-Krise mag uns Normalsterbliche kalt erwischt haben, die Protagonisten von »Master of Disaster« aber wohl kaum, denn sie beschäftigen sich täglich mit Krisen, Unfällen und Katastrophen. Die Kölner Filmemacher Jürgen Brügger und Jörg Haaßengier begleiten Feuerwehrleute und Einsatzkräfte bei ihren Übungen, zeigen, wie sich Beschäftigte aus Atomkraftwerken in einem Simulationszentrum dem Supergau stellen oder Versicherungen neue Risiken einschätzen. Ob Umgang mit Pandemien, Massenpaniken, Terroranschlägen, Hackerangriffen oder Naturkatastrophen: Jeder Aspekt wird beleuchtet. Dabei lassen die Filmemacher Bilder und Experten unkommentiert für sich sprechen und montieren die Szenen so, dass die vielen Stimmen und Eindrücke sich nach und nach zu einem verstörenden Gesamteindruck verdichten: Unsere stark vernetzte, digitalisierte und hoch komplexe Gegenwart ist besonders anfällig für Störfälle und unser Umgang mit Natur und Ressourcen begünstigt dies noch.

Die aufgeräumten Bilder und die ruhige Kameraführung bilden einen angenehmen Kontrast zur Dramatik des Themas. Im Verlauf des Films nehmen die Störgeräusche und Alarme zu, das Blinken und Flackern, die Übungen werden hektischer. Der Ton des Films bleibt jedoch stets sachlich. Dennoch ergeben sich auch komische Szenen, etwa wenn zwei Sicherheitsexperten durch idyllische Landschaften stapfen und sich gegenseitig dabei ausstechen, immer krassere Katastrophenszenarien für Übungen zu entwerfen — von Terrorangriffen auf Züge bis hin zu Giftanschlägen auf Trinkwasserreservoirs. Experten wie sie rechnen stets mit dem Schlimmsten, entwickeln Pläne für den Ernstfall und trainieren Notfallhelfer. Aber auch sie stoßen an ihre Grenzen. Nicht jede Katastrophe lässt sich managen, vor allem, wenn sie nicht alleine auftritt — siehe Fukushima. Und jede Krise hat auch soziale Aspekte: Wer nicht über die nötigen Mittel verfügt, den trifft es härter. Wer es sich hingegen leisten kann, kann zum Beispiel die Daten seines millionenschweren Unternehmens ins Swiss Fort Knox, einem Hochsicherheits-Rechenzentrum inmitten eines Berges der Schweizer Alpen auslagern, das über eine autarke Strom- und Wasserversorgung verfügt und jeder atomaren und militärischen Zombieapokalypse trotzt. So wirft der Film, der derzeit gespenstisch aktuell wirkt, viele drängende Fragen über die Entstehung und Bewältigung von Krisen auf.

(dto) CH/D 2019, R: Jürgen Brügger, Jörg Haaßengier, 79 Min. Stream bei kino-on-demand.de (9,99 Euro, dafür gibt es einen Kinogutschein über 5 Euro bei einem Kino der Wahl, einlösbar, wenn Kinos wieder geöffnet sind) oder Vimeo on Demand für 5,90 Euro ohne Unterstützung der Kinos: vimeo.com/ondemand