Die grüne Leinwand

Die Produktion von Filmen ist bislang alles andere als ökologisch nachhaltig — doch auch in Köln arbeiten viele daran, das zu ändern

Den Widerspruch habe sie nie verstehen können, sagt Szenenbildnerin Cora Pratz: Zu Hause in der Familie und im Freundeskreis spielten ökologische Themen schon seit langem eine Rolle, sagt sie, aber am Arbeitsplatz beim Film gehe es zu, als gebe es diese Themen nicht. »Alles muss billig sein«, sagt Pratz. »Einweg-Kaffeebecher für die Crew, sämtliche Produk­tionsfahrzeuge mit Verbrennungsmotor, und nach den Dreharbeiten wird die gesamte Ausstattung weggeschmissen.« Die 43-Jährige ist seit bald zwanzig Jahren im Filmgeschäft tätig. Für das Szenenbild von »Der Staat gegen Fritz Bauer« bekam sie 2016 den Deutschen Filmpreis. Den Grund dafür, dass die Film- und Fernsehenbranche erst jetzt beginnt, ökologisch zu handeln, sieht Pratz im Kostendruck: »Ich habe bei Low-Budget-Produktionen und bei Zehn-Millionen-Euro-Drehs gearbeitet, immer waren zwei Dinge knapp: Zeit und Geld.«

Dass Umweltschutz im Ruf steht, kostspielig zu sein, weiß auch Philip Gassmann. Der Regisseur und Producer hat seit acht Jahren aber auch die Mission, die Filmindustrie grüner zu machen. Der 60-Jährige berät bundesweit Produktionsfirmen und Fernsehsender auf dem Weg zum »Green Producing«. So betreut Gassmann ein gemeinsames Projekt von WDR und SWR für nachhaltiges Drehen, veranstaltet Workshops und wirkt an einem Richtlinienkatalog mit. Er berät zudem die vergangenes Jahr gegründete RTL-Arbeitsgruppe »Green Shooting« sowie Filmproduzenten, die sich auf der jüngsten Berlinale zu hundert grünen TV- und Filmproduktionen in diesem und dem kommenden Jahr verpflichtet haben. 17 konkrete Maßnahmen sollen dazu beitragen, dazu gehört die Umstellung auf CO2-reduzierte Fahrzeuge, die Vermeidung von Einwegartikeln, der Einsatz von LED-Scheinwerfern, aber auch Catering mit regionalen Lebensmitteln. Noch während der Dreharbeiten soll der CO2-Ausstoß dokumentiert und anschließend ein Abschlussbericht erstellt werden. Umsetzen wollen den Maßnahmenkatalog Daily Soaps wie »Gute Zeiten, schlechte Zeiten« bei RTL, die »Tatort«-Produktionen der ARD sowie Dokus und Kinospielfilme quer durch alle Genres. Philip Gassmann ist überzeugt, dass Ökologie auch beim Film kein Hemmschuh ist, sondern zu besseren Ergebnissen führt. »Die Bilder werden schöner«, hätten ihm Regisseure bestätigt, deren Beleuchter mit neuartigen LED-Lichtquellen arbeiteten. Das Licht sei besser und zugleich sparsamer, grünes Produzieren habe also durchaus ästhetische Auswirkungen, auch wenn der Weg zu den schöneren Bilder nicht ohne Widerstände zu gehen sei, räumt Gassmann ein. »Produzenten haben immer wieder die Sorge, dass es zu teuer wird, betonen die Unvereinbarkeit von Ökologie und Ökonomie«, sagt er. »Und Regisseure befürchten, dass Nachhaltigkeit sie in ihrer Kreativität einschränken könnte.« Doch das Gegenteil sei der Fall, betont Gassmann: »Das zeigen die Rückmeldungen derer, die bereits grün drehen. Die neuen Tools werden das Herz der Kunst beflügeln.«

Das Filmemachen grüner werden soll, geht nicht zuletzt auf eine Initiative von Arnold Schwarzenegger zurück. Der »Terminator« entwickelte 2009 als kalifornischer Gouverneur gemeinsam mit der Universität von Kalifornien den »Code of Best Practices for Sustainable Filmmaking«, um den CO2-Ausstoß bei Filmproduktionen zu reduzieren. Ein mit üppigem Budget produzierter Hollywood-Blockbuster kommt auf gut 10.000 Tonnen CO2, haben die US-Forscher errechnet. Insbesondere viele mit dem Flugzeug zurückgelegte Reisen, aber auch Diesel-Generatoren zur Stromerzeugung am Set tragen hierzu bei. Dass eine »Tatort«-Produktion für die ARD bei einem drei- bis vierwöchigen Dreh auf 100 Tonnen des Klimaschadstoffs kommt, klingt zwar vergleichsweise mickrig, entspricht aber ungefähr dem jährlichem Ausstoß von zehn Privatpersonen.

Der SWR-Tatort »Fünf Minuten Himmel« mit Heike Makatsch in der Hauptrolle wurde 2015 als Pilotprojekt der Filmförderung von Baden-Württemberg klimaneutral produziert. Dafür wurde vor allem vom Flugzeug auf die Bahn umgebucht und Ferienwohnungen der Vorzug vor Hotelübernachtungen gegeben. »Die Filmbranche ist Hotelkunde, aber Hotels sind Wohnungen auf Speed und große Energiefresser«, sagt Regisseur und Producer Gassmann. Er schlägt andere Möglichkeiten vor: »Ferienwohnungen für Cast und Crew können eine gute Alternative sein, viel wichtiger ist es allerdings, dass die Hotels grüner werden.« Doch ob ausgerechnet Filmstars, die Business Class und Luxushotels gewohnt sind, in gasbetriebenen Kleinbussen zu Airbnb-Buden gefahren werden möchten? »Es sind gerade die jüngeren Stars, die ganz wichtige Motoren der Entwicklung zum Green Shooting sind, die auch von Hollywood inspiriert werden, wo Regisseure wie David Cameron oder Steven Spielberg bereits Zero-Waste-Filme drehen und Leonardo di Caprio für ökologische Projekte trommelt«, betont Gassmann.

Dass in der Branche ein Umdenken stattfindet, beobachtet ebenfalls Philipp Stendebach. Der 31-jährige Herstellungsleiter der Kölner augenschein Filmproduktion sieht aber auch die Mehr­kosten, die grünes Produzieren zunächst verursache. »Catering mit regionalen Produkten ist teurer als mit konventionellen, Züge sind oft teurer als Flüge, Verschrotten ist billiger als Einlagern, und gerade bei Low-Budget-Produktionen muss auf jeden Euro geachtet werden«, sagt Stendebach. Bei großen Produktionen könne es sich aber durchaus rechnen, die Fahrzeuge mit Gas statt Diesel zu betanken oder sparsamere LED-Lampen zu verwenden, auch wenn diese beim Verleiher teurer sind.

Unabhängig von den Kosten, so Stendebach, sei er immer bemüht, nachhaltig zu arbeiten. »Alles andere ist fahrlässig, deshalb bin ich auch für schärfere Auflagen, aber auch für zusätzliche Fördermittel, um ökologisches Produzieren auch finanzieren zu können.« Philipp Stendebachs letztes Projekt war »Home«, das Langfilm-Regiedebüt von Franka Potente. Gedreht wurde unter anderem in Los Angeles. »Bei den Flügen haben wir darauf geachtet, überflüssige zu vermeiden«, sagt Stendebach. »Aber ohne Flüge geht es bei internationalen Koproduktionen nicht, da bleibt dann nur noch CO2-Kompensation als Tropfen auf den heißen Stein.«

Ökostrom lässt sich nur aus dem Netz beziehen, doch der wichtigste Energielieferant am Set ist in der Regel der Diesel-Generator. Laut und feinstaublastig, jedoch bislang unerlässlich, um eine autonome Stromversorgung zu gewährleisten. Dass es bereits Alternativen gibt, zeigt ein Besuch beim Filmverleiher Maier Bros. in Ehrenfeld. Dort haben die beiden Brüder Niels und Knut Maier ein Aggregat zur Stromerzeugung mit Hybrid-Technologie entwickelt. Es kombiniert Akku-, Solar-, Netz- und Gasbetrieb und arbeitet so weitgehend emissionsfrei. Montiert ist der Motor auf einem LKW, der ebenfalls mit Gas betankt wird. Das Interesse in der Branche sei enorm, sagt Geschäftsführer Niels Maier. Er hat zudem gerade eine weitere Innovation vorgestellt, die Styroporplatten, sogenannte Bounceboards, überflüssig machen soll, die an Filmsets eingesetzt werden, um Licht zu reflektieren. So wurde ein Bounceboard aus Pappe und Papier entwickelt, das über die Altpapierverwertung recycelt werden kann. Er sei kein Heilsbringer, so Maier, aber gewillt zu tun, was möglich sei.

»Keen to be green«, war gerade der passende Titel einer Veranstaltungsreihe, bei der die verschiedensten Gewerke von Kostümbild über Kamera bis Produktion nachhaltiges Arbeiten lernen sollten. Cora Pratz, die Szenenbildnerin, hat an einem Webinar für ihren Bereich teilgenommen, obwohl sie selbst vorher schon gehandelt hat: »Ich arbeite mit einem Requisiteur zusammen, der ein Lager gemietet hat, in das wir nach Drehende so viele Requisiten wir möglich einlagern, statt sie wegzuwerfen.«

Doch droht nicht der nächste Widerspruch, wenn ein klimaneutraler Zero-Waste-Blockbuster auf der Leinwand Geschichten erzählt, die eine entgegengesetzte Botschaft aussenden? Diese Gefahr sieht auch Regisseur und Green-Producing-Fachmann Philip Gassmann, der deshalb auf der anderen Seite der Kamera auf »Green Storytelling« setzt. »In Film und Fernsehen sehen wir immer noch viel zu oft Klischees vom Öko und Müsli-Esser als einfältigem Depp«, sagt Gassmann. »Aber selbstverständlich kann auch ein Actionheld Umweltbewusstsein haben, er muss dann eben grün sein — und cool!«