Knubbeln bis die Polizei kommt

Die Stadt findet in der Pandemie keinen passenden Umgang mit Menschen im öffentlichen Raum

 

Freitags ist es immer soweit. In Pressemeldungen kündigen Polizei und Ordnungsamt ein hartes Durchgreifen an. Sonntags kommt dann die Bestätigung: Polizei und Ordnungsamt haben hart durchgegriffen — wie immer. Mal war es in der LGBTIQ-Szene in der Schaafenstraße, mal am Mäuerchen vor dem Stadtgarten, ein anderes Mal eine Party am Niehler Rheinufer. Das soll Stärke demonstrieren, ist aber ein Beweis von Ideenlosigkeit.

Fast ein halbes Jahr ist es her, dass wir uns andere Regeln des Umgangs antrainiert haben. Die wichtigste: Abstand, Abstand, Abstand. Und genau so lange wurde der öffentliche Raum nicht dafür umgestaltet: Wie vor Corona knubbeln wir uns auf engen Bürgersteigen, während der ruhende und rollende Verkehr den meisten Raum einnimmt. Klar, es gibt die Parkplätze, die jetzt in Außengastronomie umgewandelt worden sind. Und es gibt neue Pop-Up-Biergärten. Aber das ist privatisierter Raum, kein öffentlicher, in dem man sich einfach aufhalten darf.

Wir haben uns Abstandsregeln angewöhnt, aber der Stadtraum hat sich nicht verändert

Diese Pop-Up-Angebote verkennen zudem die Bedürfnisse: Wer es sich mit einem Bier auf einer Mauer bequem macht, will ja gerade nicht an einem Tisch bedient werden, wo das Kölsch doppelt so teuer ist wie am Büdchen. Das ist auch naheliegend. Die Corona-Krise hat Menschen unter 25 ökonomisch hart getroffen. Für sie sind Nebenjobs und Ausbildungschancen weggefallen, hinzu kommt der Lockdown von Clubs und Konzertstätten, also der Verlust ihrer Räume. Ersatz ist nicht in Sicht. Einige Veranstalter versuchen es mit Open-Air-Konzerten, aber stoßen auch hier auf Behördenunwilligkeit. Der Schrotty in Bickendorf etwa darf keinen Alkohol verkaufen, was für die Betreiber eine wichtige Einnahmequelle ist. Der Grund: Es soll zu Verstößen gegen Lärmvorschriften gekommen sein.

Für die Stadtverwaltung wäre es leicht, diese Probleme zu beheben. Sie könnte öffentliche Grünflächen zu temporären Partyzonen erklären. Sie müssten ausreichend groß sein, um Abstand zu ermöglichen. Und die Stadt muss Anwohnern vermitteln, dass es dort in den nächsten Wochen lauter werden wird. Nötig sind dafür Fähigkeiten, die in Ordnungsbehörden nicht zum Einstellungskriterium gehören: Kreativität, Empathie und Kulanz. Aber die lassen sich üben. Und billiger als wöchentliche Einsätze wäre das allemal.

Christian Werthschulte ist Politikredakteur der Stadtrevue. Seit Corona bleibt er am liebsten mit gutem Gewissen auf der Couch. Aber wenn er Freunde treffen will, dann sitzt er auch gerne einfach nur draußen rum