Sr. Pietra M. Löbl, 3 Tuchobjekte, 2020, Leinen, je 230 × 150 cm

Alles im grünen Bereich

Poesie des Gärtnerns bietet von Apfel, Biene, Kompost bis Konzeptkunst eine erhellende Kunst-Natur-Erkundung

Wie es sich gehört, führt eine Allee zur Burg. Die Burg hat eine Mauer und ein Tor. Man solle nicht klingeln, sondern einfach eintreten, ermuntert ein Schild. Wer mag, wendet sich aber zunächst ein paar Schritte nach rechts und wird doppelt belohnt. Zunächst mit einer ersten Aussicht auf die im Kern mittelalterliche, Anfang des letzten Jahrhunderts neu aufgebaute, ehemals von Wasser umgebene Burg Lede und den Park, eine solide Augenweide. Und dann ist noch Gesang zu hören, ein dezent beschwörendes Kammerchorwerk. Zweifellos kein Vogelkonzert.

»Apple Cuckoo« heißt die Komposition von Katrin Vellrath, eine Art Apfelhymne, die eigens für die Ausstellung »Poesie des Gärtnerns — der Garten als Metapher und künstlerisches Wirkungsfeld« geschrieben wurde. Auch wenn der Titel etwas masterarbeitsmäßig klingt, benennt er doch genau, worum es hier im rechtsrheinischen Nordosten Bonns und in der Kölner Filiale der Galerie Parrotta geht. Und um es gleich zu sagen: Diese Burg und die ganze Ausstellung sind eine Überraschung, eine wohltuende Attraktion im speziellen Galeriensommer 2020.

Üblicherweise sind Juni und Juli eine eher dösige Phase des Galerienjahres,  der August ist dann der klassische Galerieferienmonat. Eine ganz andere Art von Kunstsommerfrische haben die Kuratorinnen Bettina Haiss und Birgit Kulmer — allen coronalen Widrigkeiten zum Trotz — verwirklicht. Ihre »Poesie des Gärtnerns« bietet seit Juli und August ein erstaunlich breites und aufwändiges Begleitprogramm mit Führungen, Vorträgen oder einem von Daniel Kothenschulte kuratierten Filmabend. Im September finden weitere Kuratorinnenführungen statt und zum guten Schluss, Anfang Oktober, ein Apfel-Fest.

Die Ausstellung selbst ist — wie ein Garten — nichts Fertiges. Schon die erwähnte Musik oder das geplante Erntedankfest machen deutlich, dass Kunst hier nicht nur im (historischen) Saal stattfindet und manches noch heranreift. Bereits die Werke im Innenraumteil der Ausstellung — in Köln wie in Bonn — entfalten das Thema in ganzer Breite. Revolution, Schrecken und Idyll, Geschichte und Natur verschränkt Ian Hamilton Finlay in seinen Parkprojekten. Gabriela Oberkofler erfindet in ihren mikroskopischen Aquarellen immer neue »Bienenblüten«. Dem Garten als Ort der Kontemplation widmet sich Robert Haiss in einer kleinen Vertiefungsserie.  Einen umfassenden Apfelkomplex gibt es im Werk von Antje Majewski: präzis gemalte Sortenportraits, Dokumentationen zum weltweiten Anbau der Frucht, ihren eigenen Baumpflanzaktionen. Ihre Arbeiten sind kombiniert mit den geschnitzten und getrockneten Apfelobjekten Pawel Freislers.

Präsent sind auch zwei Künstlergärtner, deren Spezialität das Widerständig-Karge gewesen ist: Derek Jarmans legendärer Garten in einer Küstenkieswüste, dessen Entstehen Howard Sooley tatkräftig und fotografierend begleitete. Schließlich der praktizierende Konzeptgärtner Lois Weinberger. Seine anrührend-nüchterne Fotografie »Die Erde halten« zeigt, wie er eine Portion Erde in der Armbeuge hält, als würde er einen Säugling tragen.

Anhand dieser und weiterer Arbeiten wird deutlich, dass Garten und Pflanzen auch in der Gegenwartskunst ein metaphorisch und praktisch weites Feld eröffnen: Sähen, Wachsen und Ernten und Vertilgen — das ganze schöne Durcheinander von Natur und Kultur, Tier-, Pflanzen- und Menschenwelt, Kreisläufen und Verwandlungen wird greifbar und anschaulich. Die Aspekte von Ausbeutung und Entfremdung werden dabei nicht ausgeblendet.

Vollends zum praktischen Kunst-Garten-Werk wird diese Ausstellung mit dem Außenbereich der Burg. Der heute ziemlich struppige Park, der auch Nutzgarten ist, wurde 1906 vom Reformgärtner Walter von Engelhardt angelegt, seine annähernde Wiederherstellung ist ein Anliegen der Galerie und ein Anlass für die »Poesie des Gärtners«. Gerade weil der Park ein Ort der Veränderung, der Verwilderung ist — zusammen mit der pittoresken Burg bildet er ein eigentümlich realistisches Idyll — fügen sich die mitunter etwas versteckten experimentellen Pflanzungen und Interventionen bestens ein. Kompostwerke, den Boden verbessernde Kartoffelsetzungen in bedeutungsvollen Rundbeeten, Bienen bei der Arbeit, raffinierte Gemüsesolidargemeinschaften und performatives Gärtnern sind nicht ganz kontrollierbare, gewissermaßen rahmenlose ­Kunstwerke des Menschen und der Natur.

Aber es gibt hier draußen auch einen hochlehnigen Stuhl, der mal da, mal dort steht, je nachdem, wo Robert Haiss ihn platziert. Wer mag, kann sich setzen. Dieser Stuhl ist auch auf seinen Bildern zu sehen. Sie zeigen den in seinem Hinterhofminiaturgarten sitzenden, tätig träumenden Künstler Joseph ­Cornell. Dieser Stuhl ist eine Ein­ladung.  

Parrotta Contemporary Art, Standort 1: Brüsseler Str. 21, Mi-Fr 13-18, Sa 11-16 Uhr //
Standort 2: Burg Lede, 53225 Bonn, Fr-Sa 14-18 Uhr

Führung & Apéritif mit den Kuratorinnen Bettina Haiss und Birgit Kulmer am So 12.9., 17 Uhr, um Anmeldung wird gebeten.

Finissage/Apfelfest am So 4.10, 15-18 Uhr mit Antja Majewski, Programm und Livemusik.

Ein Katalog ist in Vorbereitung; kostenlos erhältlich sind Karten mit Texten zu allen Künstler*innen.