Bei aller Vorsicht: Auf zu Kurosawa ins Kino!

Zurück unterm Projektstrahl

Geglaubt haben wir fest daran, dass wir früher oder später wieder gemeinsam im Kino sitzen und der Filmgeschichte huldigen würden. Nun ist es endlich soweit — über uns der Projektorstrahl, vor uns die Leinwand, um uns... Mitmenschen. Ein wenig Filmkultur gab es in den vergangenen Wochen schon, im Japanischen Kulturinstitut, im September gibt es dort nun eine Schau mit Werken zu Tokio zu bestaunen. Die Formulierung ist mit Bedacht gewählt: Während man in Gosho Heinosukes ergreifenden Drama über das Leben an der Kante zwischen Mittel- und Unterschicht, »Entotsu no mieru basho (Where Chimneys Are Seen)« (1953), Ozu Yasujirōs Versuch über die Undankbarkeit, »Tōkyō monogatari (Tokyo Story)« (1953), oder Naruse Mikios melancholischen Betrachtungen zum Geisha-Alltag, »Onna ga kaidan o agaru toki (When a Woman Ascends the Stairs)« (1960), einiges von der realen Metropole zu sehen bekommt, tendenziell deren unspektakuläre Seiten, zeigen Yamazaki Takashis »Sanchōme no yūhi (Always: Sunset on Third Street)« (2005) und dessen Sequel klinisch saubere Digitalversionen genau dieser Welt. Irgendwo dazwischen angesiedelt sind Kurosawa Akiras Trümmer-noir »Nora inu (Stray Dog)« (1949) und Suzuki Seijuns Singende-Yakuza-Delirium »Tōkyō nagaremono (Tokyo Drifter)« (1966). Bei ersterem erinnert man gerne die Ansichten der zerbombten Kapitale, vergisst aber, wie viel an Außenmotiven im Studio gefilmt wurde. Bei letzterem ist es umgedreht, denn da überlagern im Kopf die stilisierten Sets und Farben die Bilder der realen Stadt.

Damit man wirklich von Filmkultur sprechen kann, muss eine Angebotsvielfalt gegeben sein, wofür der Filmclub 813 wieder sorgt. Da laufen nun Filme, die für das Frühjahr angekündigt waren. Hervorgehoben seien zwei Perlen des Verworfenen: die debile Erotikkrimikomödie »Laß’ knacken Schätzchen — Gauner der Liebe« (1980) von Jürgen Enz, dessen gestalterische Grobmotorik sein Gesamtwerk in die Nähe der Außenseiterkunst rückt. Außerdem Alfred Weidenmanns famos schwiemeliges Zeitstück »Das Freudenhaus« (1971) nach dem gleichnamigen Roman von Henry Jäger, einem genuinen Außenseiter unter den BRD-Autoren. Womit der Film sich einreiht in eine der denkwürdigsten Mini-Wellen des hiesigen Kino-Literatur-Konnex: jenem Augenblick in den späten 60er, frühen 70er Jahren, da Verfilmungen von Laienerzählern wie der Kapitänswitwe Bengta Bischoff oder dem Kumpel Hans Henning Claer Kasse machten.

Infos zu den Programmen des Japani­schen Kulturinstituts und des Filmclub 813: jki.de, filmclub-813.de