Turmuhr statt Stechuhr: Wurde die Arbeitszeit im Rathaus zu großzügig berechnet? Foto: © Raimond Spekking / CC_BY_SA_4

Wem die Stunde schlägt

Die Stadt hat Beamten womöglich rechtswidrig Überstunden ausgezahlt

Ein Skandal in der Stadtverwaltung kurz vor der Wahl. Das ist ganz nach dem Geschmack der Opposition, in diesem Fall der SPD. Anlass war ein Bericht des Rechnungsprüfungsamtes, in dem der Umgang der Stadtverwaltung mit Überstunden von Beamten beanstandet wurde. Als Erster berichtete der Kölner Stadt-Anzeiger ­darüber.

In der Stadtverwaltung seien »in nahezu sämtlichen Dienststellen« die Überstunden von Beamtinnen und Beamten nicht mit Freizeit, sondern mit Geld abgegolten worden, so der Prüfungsbericht. Das könnte regelwidrig sein und der Stadt einen finanziellen Schaden zugefügt haben. In zwei Fällen prüft die Staatsanwaltschaft zudem den Anfangsverdacht einer Straftat, das heißt, sie untersucht, ob überhaupt eine Anklage erhoben wird. Es soll sich laut Recherchen des Kölner Stadt-Anzeigers um Fälle im Kulturdezernat handeln, wo möglicherweise pauschal Überstunden ausgezahlt wurden, die gar nicht geleistet worden sind.

Durch die Zeitungsmeldung vom 28. August, rund zwei Wochen vor der Wahl, sah die SPD die Gelegenheit, OB Henriette Reker unter Druck zu setzen. Schließlich ist die Verwaltungsreform ihr größtes Projekt. »Wir fragen uns: Was wusste Henriette Reker wirklich?«, ließ SPD-Fraktionschef Christian Joisten mitteilen. Die SPD drängte auf eine Sondersitzung des Rates, was Reker verhinderte. Stattdessen gab es in der regulären Ratssitzung am Donnerstag vor dem Sonntag der Kommunalwahl eine Aktuelle Stunde.

Dort sagte Reker: »Der Verwaltungsvorstand ist von mir unmittelbar nach Übersendung des Prüfberichts unter Mitwirkung des Rechnungsprüfungsamtes informiert und sensibilisiert worden.« Ein Expertengremium sei eingesetzt worden, um Zweifelfälle aufzuarbeiten. »Hierzu habe ich dann gebeten, auch externen Sachverstand dazuzunehmen.«

Die rechtliche Lage sei unübersichtlich, so Stadtkämmerin Dörte Diemert. Bundesrecht, Landesrecht, interne Dienstanweisungen, die europäische Rechtsprechung — hinzu komme eine städtische Dienstanweisung von 2008, die »an einer entscheidenden Stelle missverständlich oder gar fehlerhaft« gewesen, »aber bereits im Sommer 2019 korrigiert beziehungsweise klargestellt« worden sei, so Diemert in der Aussprache. Volker Görzel (FDP) vom Ausschuss für Allgemeine Verwaltung und Rechtsfragen sprang der Kämmerin bei: Es gebe »einen schier undurchdringbaren Wust von Vorschriften«.

Dass überhaupt so viele Überstunden anfallen, erntet auch Kritik. OB Reker aber sagt: »Ich weiß gar nicht, wie es sonst im Moment so zielgerichtet und gut weitergehen könnte in dieser Stadt.« Die SPD sieht darin ein weiteres Versagen der OB, weil sie es nicht geschafft habe, dass die Verwaltung besser arbeitet. Für SPD-Fraktionschef Joisten war trotz Aussprache »kein Wille erkennbar, Transparenz und Aufklärung von Missständen voranzutreiben«.

Jörg Detjen, Vorsitzender des zuständigen Rechnungsprüfungsausschusses (RPA), schloss sich dem nicht an. Allerdings stellte der Fraktionschef der Linken »systemische Fehler« fest und befand: »Beamte meinen, sie könnten Regeln für Angestellte auf ihren Status einfach übertragen und gleichzeitig die Sicherheit des Beamtenstatus behalten.«

Unterdessen beschloss der RPA unter Leitung von Detjen zwei Tage zuvor, am 8. September, dass alle Vergütungen von Überstunden ab dem Jahr 2017 daraufhin überprüft werden, ob sie rechtskonform waren und ob ansonsten die Stadt diese zurückfordern kann. Zudem sollen alle Dienststellen eine Beratung zum korrekten Umgang mit Überstunden erhalten und die Kontrollen verbessert werden.

»Ich bedanke mich und werde jetzt das Pult putzen«, so Detjen am Ende seiner Rede im Rat, wegen der Corona-Hygienemaßnahmen. Die Reinigung der Verwaltung von rechtlich unklaren Regelungen steht noch bevor: Bis Ende März soll ein Zwischenbericht vorliegen.