Noch auf Empfang: Felix Kubin, Foto: Greg Holm

Davor und danach

Das Mini-Festival »dream baby dream« ­(long version) erinnert an die Clubkultur

Die plötzliche Zäsur, die mit der Pandemie eingeleitet wurde, ist ernüchternd und schafft Raum für Nostalgie und womöglich auch Kontemplation. Die Lücke zwischen dem Davor und Danach füllen die Kuratoren Jan Lankisch und Thorsten Krämer mit Inhalten, die sich um die Clublandschaft drehen. Ihre Ausstellung »dream baby dream (long version)« ist eine unverstellte Liebeserklärung an längst vergangene, verrauchte Clubabende. Für zwei Tage werden die Räume des »Richas Digest« in der Lothringer Straße in eine Miniaturwelt verwandelt, so werden Konzepte wirksam, die an das reale Clubleben erinnern.

Der Autor Kristoffer Cornils (Spex/Groove) ist eingeladen, diese Wandlung in Worte zu fassen und uns einen imaginären Textstoff zu designen. Die ursprüngliche Nähe, die Menschen in beengten Tanzkorridoren und verruchten Schuppen gespürt haben, wird in dieser Ausstellung anders erfahrbar gemacht.

Ein weiterer Gast mit Hang zum Experimentellen ist Felix Kubin, der das transmediale Erzählen bis zum Äußersten treibt: Hörspiel frisst Elek­tro­punk und Noise. Das Ergebnis der Soundkollage ist gewiss anziehend und auch ein wenig verstörend. Ebenfalls Teil des Programms ist das DJ-Set der Tonkünstlerin Lena Willikens. Ihre anspruchsvolle Kom­pilation macht was mit der Psyche der Zuhörenden, tangiert das Unterbewusstsein und hinterlässt einen metallischen Beigeschmack. Ob diese Simulation an das wirkliche Cluberlebnis herankommt, sei dahingestellt, aber darum geht es auch nicht wirklich.

Die Zwangspause und die daraus resultierende Retrospektive wird helfen, die Szene zu durchleuchten und sich auf die Ursprün­ge zu besinnen: Der Club als toleranter Ausdrucksraum für alle Formen des Andersseins, denen in der Gesellschaft kein Platz gewährt wird. Im Titel schwingt natürlich der Suicide-Song »dream baby dream« (1978) mit, der einem mit seinem repetitiven Arrangement in anderen Sphären versetzt. An sich transportiert das Lied keine fatalistischen Botschaften, keinen Abschied für immer — der Zukunftston ist optimistisch. So hofft man inständig, dass durch dieses Gedankenexperiment auch der Hilferuf in der Stadtpolitik gehört wird, diese Art von Kulturstätten nicht zu vergessen.

Zur Ausstellung erscheint eine ­limitierte Single von Sam Gendel mit einer Coverversion des Suicide-Songs »Dream Baby Dream«.