»Selbst im Hotel« (Blatt 1 aus Berliner Reise), 1922, Lithografie, © VG Bild-Kunst, Bonn 2020, Foto: Jürgen Spile

Zuschauer in diesem Traum

Max Beckmanns Druckgrafik im Max Ernst Museum Brühl

Immer wieder versucht Max Beckmann, sich in Portraits seiner selbst zu versichern. Das wird auch in der Ausstellung »Day and Dream. Eine Reise von Berlin nach New York« deutlich, die sich auf sein druckgrafisches Werk konzentriert. Das titelgebende Mappenwerk, dessen erstes Blatt den distanziert wirkenden und wie fast immer rauchenden Künstler im holländischen Exil zeigt, stammt aus dem Jahr 1946. Die anderen Mappen entstanden zwischen 1919 und 1922 und dokumentieren ebenso wie frühere Grafiken eindringlich, wie stark der Erste Weltkrieg den Künstler geprägt hat.

Bereits »Die Granate« von 1914 zeigt, dass die Welt aus den Fugen ist, Irrsinn und Schmerz werden durch den Feuerstrahl ausgeleuchtet, die Darstellung ist grell, expressiv und zersplittert, Beckmanns vormals impressionistische Linienführung passt nicht mehr zur Darstellung menschlicher Abgründe. Seine Weltsicht wird auch in den gedrängten Szenen aus dem Zyklus »Die Hölle« deutlich: Noch der ekstatische Rausch in einem Tanzlokal ist verzweifelt, trotz der drangvollen Enge wirken die Figuren isoliert und mutlos.  Der Titelblatt-Text lautete: »Die Hölle. Großes Spektakel in 10 Bildern. Wir bitten das geehrte Publikum näher zu treten. Es hat die angenehme Aussicht sich vielleicht 10 Minuten nicht zu langweilen. Wer nicht zufrieden ist, bekommt sein Geld zurück.«

Diese Worte könnte auch »Der Ausrufer« des Zirkus Beckmann brüllen: In dem Zyklus »Der Jahrmarkt« von 1921 hat sich Beckmann wieder selbst porträtiert, eben als jener Ausrufer, selbstverständlich mit Zigarette im Mund, aber auch als Seiltänzer: Vor einem sich rasant drehenden Riesenrad balancieren seine damalige Frau Minna und Beckmann selbst, blind und mit Harlekinhose, auf einem Seil über den Abgrund. Klarsichtig erfasst Beckmann die Krise der Weimarer Republik, einen Tag, bevor Hitler am 18. Juli 1937 Juli die »Große Deutsche Kunstausstellung« im »Haus der Deutschen Kunst« eröffnete, emigrierte der Künstler mit seiner zweiten Frau Quappi. Ein Ölgemälde von ihr aus dem Jahr 1946 zeigt, dass Beckmann seine Kraft nicht nur aus Träumen zog, sondern sie auch den starken Frauen an seiner Seite verdankte.

Max Beckmann: »Day and Dream. Eine Reise von Berlin nach New York«, Max Ernst Museum Brühl, Comesstraße 42 / Max-Ernst-Allee 1, Brühl, Di–So 11–17 Uhr, bis 28.2.2021