Soweit die Theorie

Die Art Cologne 2020 zum Nachhol­termin — ganz in echt und in Farbe

So richtig mag man es erst glauben, wenn man den Fuß ins Foyer der Halle 11 auf dem Kölner Messegelände gesetzt hat: die ART COLOGNE und die Cologne Fine Art finden statt, davon sind die Messegesellschaft und Daniel Hug, Direktor der Kunstmesse, fest überzeugt. Nach der Verschiebung auf den Herbsttermin hatten ca. 25 Galerien ihre Teilnahme zurückgezogen, besonders solche, die transkontinental anreisen müssten. Stattdessen sind elf neue dazugekommen, darunter Größen wie neugerriemschneider oder Thomas Schulte aus Berlin.

Überhaupt wird bei dieser Ausgabe vermutlich alles etwas nationaler ausfallen, von den 150 Aussteller*innen bis zum Publikum. Hug hofft aber, dass die europäischen Galerien aus Österreich, Italien oder Frankreich ihre eigene Sammlerschaft mitbringen, denn die Sehnsucht nach dem physischen Kunsteinkaufserlebnis nach all den digitalen Showrooms scheint bei der kaufkräftigen Klientel groß zu sein.

Was die Sicherheits- und Hygienemaßnahmen betrifft, ist man angeblich sehr gut vorbereitet — kein Wunder, die Art Cologne wäre die allererste Messe, die seit Beginn der Pandemie wieder auf dem Kölner Messegelände stattfindet. Das muss sitzen. Tickets können nur vorab online für bestimmte Zeitfenster reserviert werden (auch für VIP-Gäste!), die Gänge wurden verbreitert, Stände so geplant, dass keine engen Kojen entstehen und die Präsentationen gut einsehbar sind. Zusätzlich hat die Messe eine App entwickelt, die Alarm schlägt, wenn sich Menschentrauben bilden und diese auf der interaktiven Karte markiert, sodass man einen großen Bogen darum machen kann. Der Download ist für alle Besucher*innen verpflichtend, genauso wie das Tragen eines Mund-Nase-Schutzes, an das wir uns ja inzwischen gewöhnt haben. Soweit die Theorie.

Von den teilnehmenden Galerien hört man unterschiedliches. Bei den meisten überwiegt die Freude und Hoffnung, dass endlich ein Stück Normalität in den Kunstbetrieb zurückkehrt, vor dem Unmut über das fehlende Entgegenkommen von Seiten der Messegesellschaft bei den Standpreisen — die sind nämlich trotz der unsicheren Bedingungen und den zu erwartenden geringeren Besucher*innenzahlen genauso hoch wie sonst. Übrigens, wem die Messe dennoch zu rummelig ist: die Kölner Galerien öffnen am Donnerstag und Freitag (19. / 20.11.) von 11 bis 20 Uhr die Türen.

Online-Tickets unter tickets.artcologne.de

 

 

ART COLOGNE-Preis 2020: Gaby & Wilhelm Schürmann

 »Die Objekte der Begierde müssen reflektiert, leichtfüßig, lapidar und uneitel sein«, sagte Wilhelm Schürmann einmal in einem Interview, und die Sammlung spiegelt, was er darunter versteht. Seit den 70ern, also mittlerweile über 45 Jahre, sammelt das Aachener Paar Gaby und Wilhelm Schürmann zeitgenössische Kunst. Etwa Werke von Hans Haacke und Martin Kippenberger, die ganz vorne zu den Künstler*innenen zählen, die früh von den Schürmanns entdeckt und angekauft wurden. Albert Oehlen, Mike Kelley, Robert Frank sind ebenso vertreten wie eine angenehm breite Riege starker Künstlerinnen: Valie Export, Joelle Tuerlinckx, Nairy Baghramian, Zoe Leonhard, Fiona Banner, Miriam Cahn, Nina Canell, Rita McBride und Alice Creischer ... Heute besitzen die Schürmanns eine der bedeutendsten Sammlungen und sind zudem als engagierte, hochinformierte und gut vernetzte Akteure im lokalen und internationalen Kunstbetrieb kaum wegzudenken. Wilhelm Schürmann, selber Fotograf, Kurator und kurzzeitig Galerist, war zudem als Professor für visuelle Kommunikation und Fotografie an der FH Aachen maßgeblich an deren Anerkennung als vollwertiges künstlerisches Medium beteiligt. Das alles ist mehr als genug, um Schürmanns mit dem Art Cologne-Preis für herausragende Verdienste in der Kunstvermittlung zu ehren. Glückwunsch!

Die zum ursprünglichen April­termin der Messe geplante Preis­zeremonie findet voraussichtlich am 19.11. in kleinem Rahmen im historischen Rathaus statt.


Nachwuchs mit Zukunft: New Positions

Die »New Positions« hat die Absage der Messe im April vermutlich ganz besonders enttäuscht, umso mehr hofft man, dass sie jetzt einen erfolgreichen Auftritt beim Nachholtermin haben werden! Denn das Förderprogramm der Art Cologne findet immer viel Beachtung: Seit 1980 gibt es jungen Künstler*innen die Chance, ihre Arbeit in einer Sonderkoje zu präsentieren und gilt als dickes Karrieresprungbrett. 20 Künstler*innen wurden ausgewählt, in der Jury saßen Aneta Rostkowska von der Temporary Gallery, die Direktorin des Kölniaschen Kunstvereins Nikola Dietrich und Marc Wellmann vom Haus am Lützowplatz in Berlin. Geballte Kompetenz, also haben wir ein Auge auf jene 20 Nachwuchskräfte, die teilweise in Köln schon debütiert haben in den letzten Jahren, so dass man sich schon auf neue Werke von ihnen freut — etwa Silke Albrecht (Philipp von Rosen) oder Johannes Bendzulla (Petra Rinck), Morgaine Schäfer (fiebach, minninger), Sophia Süßmilch (Krobath) oder Pedro Wirz (Nagel Draxler).
Die Sonderkojen der New Positions sind entsprechend gekennzeichnet und im Hallenplan eingetragen.


#colognefineart

Die Verschiebung der Art Cologne auf den Herbst beschert uns auch ein Doppelpack: Im November ist nämlich in den letzten Jahren traditionell die kleine Schwester »Cologne Fine Art & Design« zuhause. Nun finden beide parallel statt, was möglicherweise Synergien erzeugt, oder eben Konkurrenz. Mit einer feinen Auswahl an Händlern und Galerien kommt die COFAD mit ihrem »Cross Over der Stile und Epochen« (COFAD) in frischem Look daher und bietet Kunst, Objekte, Preziosen und Design von der Frühzeit bis zur Moderne. Eine Zeitreise von frühen Zeugnissen der Antike bis zu modernen Designklassikern, dazu gibt’s die Sonderschau »Vienna 1900« für Fans von Jugendstil und Secession sowie den neukonzipierte »SHOWROOM«. Der Nachfolger des bisherigen »Young Collectors Room« bietet Kunstwerke und Objekte zu Preisen unter 5.000 Euro. Sie sind in einem durchgestalteten Innenraum zu erleben, um Besucher*in­nen auf den Geschmack fürs private Ambiente zu bringen. Ob es allerdings eine gute Idee war oder psychologisch fatal, ihm das Motto »Homeoffice« zu geben?
COLOGNE FINE ART & DESIGN, Messegelände Deutz, Halle 3.2, 18.–22.11., Publikumstage:
Fr 20.11.–So 22.11.
ACHTUNG: Ausschließlich Online-Tickets nach vorheriger Regis­trierung, kein Vor-Ort-Verkauf!


»Who Are We Are Who«

Wie sind wir zu dem geworden, was wir heute sind? Die von Fabian Schöneich kuratierte Group Show (eigentlich auch für April angekündigt) versammelt zu dieser sehr persönlichen, aus gesellschaftlicher Perspektive auch politischen Frage Arbeiten von 11 Künstler*innen. »Jeder einzelne Mensch könnte auf sein bisheriges Leben zurück­blicken und einige Momente oder Ereignisse beschreiben, die seine Persönlichkeit/Identität geprägt haben. (...) Darüber hinaus wird unsere Gegenwart von Zufall und Schicksal beeinflusst. (...) Wo werden wir geboren, wer sind unsere Eltern, wo wachsen wir auf?« Im späteren Leben sind es die Begegnungen mit Menschen, die uns bereichern oder komplett aus der Bahn werfen. Politische, soziale, wirtschaftlichen Einflüsse bestimmen unsere Persönlichkeit, und dennoch: In dieser Welt sind wir es, die eine Entscheidung treffen. Anhand dieser Überlegungen reflektieren die Werken von jungen wie von etablierten Künstler*innen Ungleichheit und Rassismus. Ein Blick auf die Künstlerliste verspricht: Sollte interessant werden!
BRAUNSFELDER, Geisselstr. 84–86, Ehrenfeld, Eröffnung 19.11.,
10–20 Uhr, bis 16.1.21,
braunsfelder.com, Anmeldung: contact@braunsfelder.com
Künstler*innen: Igshaan Adams, Loretta Fahrenholz, Rochelle
Goldberg, Piotr Łakomy,
Sandra Mujinga, R.H. Quaytman, Erna Rosenstein, Cinga Samson,
Bruno Serralongue, Amy Sillman, Tobias Spichtig und Jessica Vaughn