Kein Mensch, nirgends: Studiobühne Köln, Foto: Studiobühne

Eine Extrawurst, bitte!

Der »Corona-Krisenstab« der Stadt Köln entscheidet über die Strategien zur Bewältigung der Corona-Pandemie. Das KulturNetzKöln fordert dort mehr Mitsprache ein

An einem Freitag — ausgerechnet ein dreizehnter! — musste die Studiobühne erstmals eine Vorführung absagen. Das war im März 2020, und Dietmar Kobboldt, Leiter des Theaters, erinnert sich noch gut daran, wie er das Ensemble, das an diesem Tag hätte auftreten sollen, zum Abschied herzlich umarmte. »Völlig arglos« findet er das heute. Doch damals, als noch niemand wirklich ahnte, welche Folgen diese globale Pandemie haben würde, habe man gedacht: »Na gut, dann lassen wir den Laden eben mal vier Wochen zu.«

Aus vier Wochen sind Monate geworden, aus einer verschobenen Premiere viele weitere abgesagte Stücke — und langsam braut sich Ärger zusammen, in der Theaterlandschaft. Schließlich habe man Hygienekonzepte, die peinlichst genau eingehalten würden, viele Häuser besitzen sogar Lüftungsanlagen — und dass Gottesdienste mit dem Argument der Religionsfreiheit stattfinden dürfen, während die Kunst fürs erste lahmgelegt ist, macht die Sache für viele noch unverständlicher. »Es ist uns zurzeit keine einzige Infektion bekannt, die auf einen Besuch im Zuschauerraum eines Theaters, einer Oper oder eines Konzert­saales zurückzuführen ist«, hieß es Ende November in einem Offenen Brief des Deutschen Bühnenvereins an die Bundesregierung. Doch wie kann man da so sicher sein, wenn ein erheblicher Teil der Infektionsketten sich gar nicht mehr nachvollziehen lässt?

Unter dem Motto »Wir sind da!« organisierte der Verein am 30. November einen Aktionstag: Menschenketten schlängelten sich durch Fußgängerzonen, Blech­bläser stimmten ein Lied an, um »ihrem Glaube an die künstlerische Utopie« Ausdruck zu verleihen, wie es der Vorstand der Intendantengruppe etwas maniriert ­formulierte. Denn im Grunde ging es doch darum: Die Bedeutung von Kultur, trotz oder gerade wegen der zweiten Schließung, zu betonen. »Die Theater müssen symbolisch für einen Lockdown einstehen, den man an den entscheidenden Stellen gar nicht umsetzt«, hatte Detlef Brandenburg, Chefredakteur des Theatermagazins Die Deutsche Bühne wenige Tage vor der Aktion kommentiert.

Gerne Kritik, aber diplomatisch

Derart deutlich wollen sich viele andere Kulturschaffende nicht öffentlich äußern. Die beschlossenen Maßnahmen seien notwendig, enthielten aber Ungereimtheiten, findet etwa Gerhart Baum, Vorsitzender im Kulturrat NRW, und verspricht: »Wir werden jede Gelegenheit und jedes Argument nutzen, um Lockerungen zu erreichen.« Eine solche Gelegenheit bot sich dann auch gleich am 4. Dezember 2020, als Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) in einer Videokonferenz mit Vertre­ter*innen der Theater und Orchester in Nordrhein-Westfalen über mittel- und langfristige Szenarien diskutierte. Für ihre Aussage einen Monat zuvor, die Kultur müsse ­aufpassen, dass sie nicht immer eine »Extrawurst« brate, hatte sich die Ministerin da bereits öffentlich entschuldigt.

»Die Landesregierung in NRW war eine der ersten, bundesweit, die eine Soforthilfe für die freie Szene aufgesetzt hat«, sagt Dietmar Kobboldt. Natürlich seien das anfangs Schnellschüsse gewessen, teils mit »handwerklichen Fehler«, wie er sagt. Etwa dass Einmalzahlung zunächst an eine Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse geknüpft waren, durch dessen Raster gerade die besonders prekär beschäftigten Kunstschaffenden fallen. Ihn ärgert aber vor allem, dass es bislang wenig Austausch mit den Einrichtungen selbst über die Maßnahmen gegeben habe. »Innerhalb von nur einer Woche wurden uns sechs verschiedene Regelungen mitgeteilt, die sich teilweise sogar widersprachen«, erzählt er. »Man kann sich vorstellen, wie wir da im Dreieck gesprungen sind.« Dann kam der zweite Lockdown.

Positionspapier der freien Szene

Gemeinsam mit dem KulturNetzKöln, einem Zusammenschluss der freien Szene, hat ­Kobboldt nun ein Positionspapier aufgesetzt. Die Forderungen: Fortsetzung der unbürokratische Unterstützung und die Einbeziehung von Vertreter*innen der freien Kunst-und Kulturszene in den »Corona-Krisenstab« der Stadt Köln. »Innerhalb der Szene arbeiten Menschen zu sehr unterschiedlichen Bedingungen«, sagt auch Bettina Fischer, geschäftsführender Vorstand des Netzwerkes und Leiterin des Literaturhauses. »Und als Expert*innen wissen wir über die spezifischen Probleme, die gerade im Detail angegangen werden müssen, einfach sehr gut Bescheid.«

Auf Landesebene wird künftig eine Arbeitsgruppe von Vertre­ter*innen der Theater und Opern gemeinsam mit dem Kulturministerium über eine Wiedereröffnung beraten und darüber, wie die Arbeit hinter den Kulissen, etwa Proben, künftig stattfinden können. Wie diese Strategien aussehen können, angesichts der extrem hohen Inzidenzzahlen, bleibt ungewiss. Genau wie die Frage, welche zukünftigen Folgen die Schlie­ßungen haben werden, dieser ­»dauerhafte Schaden«, den man unter allen Umständen abwenden müsse, wie Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen sagte. Denn irgendwann müssten die Gelder, die gerade in Soforthilfeprogramm und Notfallfonds ausgezahlt ­werden, auch wieder eingespart werden.