Nicht mehr ganz dicht: Rheinlandraffinerie in Godorf

Immer lecker

Nach einem neuerlichen Zwischenfall bei Shell im Kölner Süden verlieren Politiker die Geduld

Anderthalb Millimeter. So klein war das Leck im Rohr der Leitung 276, durch das bis August 2019 unbemerkt 300 Tonnen Öl in die Erde unter der Rheinland-Raffinerie in Godorf liefen, nach Unternehmensangaben vielleicht auch 30 Prozent weniger oder mehr. Das Ausmaß des Schadens wurde erst acht Monate später, im April 2020, festgestellt. Die größte deutsche Raffinerie würde gern mit ihren ersten Bemühungen werben, klimafreundlichere Produkte herzustellen. Der Anteil von Ökostrom in der Wasserstoffproduktion soll ausgebaut werden. Doch die Anwohner stellen fest, dass die 1960 eröffnete Anlage beunruhigend oft Anlass zur Sorge bietet. Auch die Geduld der Politiker im Düsseldorfer Landtag schwindet offenbar. Wirklich einschneidende Konsequenzen muss Shell bislang jedoch nicht befürchten.

Ein Gutachter stellte im Dezember seinen Bericht vor: Nach der Entdeckung eines unterirdischen »Kerosinsees« im Jahr 2012 — und einem Brand 2014 — erweisen sich nun erneut alte Rohrleitungen als problematisch. Die Leitungen, in denen das ausgetretene Gasöl fließt, sind schwierig zu kontrollieren. Wo sie Straßen unterqueren, sind sie komplett vergraben. Im betroffenen Bereich könnten möglicherweise Straßenbauarbeiter ein schützendes äußeres Rohr beschädigt haben. Durch Risse im Asphalt sollen Wasser und Streusalz eingedrungen und letztlich das Leck am inneren Rohr verursacht haben. Weil das Öl direkt ins Erdreich gelangen konnte, sei das Leck unentdeckt geblieben

und auch nach der Entdeckung im August 2019 im Ausmaß unterschätzt worden. Die Autoren des Gutachtens halten das im Gegensatz zu Shell nicht für einen »besonderen Ausnahmefall«. Auch andere Ursachen als Straßenarbeiten seien nicht auszuschließen. Die Raffinerie hat sich bereits 2014 verpflichtet, die Rohre auf Brückenträger über die Straßen zu verlegen. Dafür wollte man sich ursprünglich 20 Jahre Zeit lassen. Schwerlastverkehr und Feuerwehrzufahrten sollten nicht unterbrochen werden, so die Begründung. Nach der Empfehlung des Gutachters stellt Raffinerie-Chef Marco Richrath nun eine Beschleunigung in Aussicht.

Manfred Giesen, Bürgermeister des zuständigen Stadtbezirks Rodenkirchen, will, dass Richrath sich festlegt. Bis 2025, so sein Vorschlag, sollen die Leitungen oberirdisch verlegt sein. Die Mittel des Grünen-Politikers sind gleichwohl begrenzt. Seine Parteikollegen ­hatten rund 500 Unterschriften gesammelt, um den Druck auf das Unternehmen zu erhöhen. Die Fairness gebiete es aber, Shell ausreichend Zeit für »eine seriöse Planung« einzuräumen, sagt Giesen.

Andere setzen ihre Hoffnung nicht allein auf den guten Willen der Raffinerie-Leitung. Die Rodenkirchener CDU-Fraktion forderte im Dezember die Bezirksregierung als Aufsichtsbehörde auf, das Unternehmen zur Eile zu drängen. Im Landtag stellte CDU-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser die Frage, ob das Unternehmen das »Thema Altleitungen im Griff« habe. Mehrere Landtagsabgeordnete erinnerten an vergangene Beteuerungen, die Sicherheit zu verbessern, einmal habe Shell die Politiker dafür eigens zum Frühstück auf einen Fernsehturm geladen. Umso entsetzter seien sie angesichts der erneuten Panne.

Den Weg in die Wasserstoffindustrie beschreite Shell mit einer »Vergangenheit im Rucksack«, sagte André Stinka (SPD). Im Januar lud der Landtagsabgeordnete Oliver Kehrl (CDU) Vertreter mehrerer Bürgervereine aus dem Kölner Süden zum Videochat mit Heinen-Esser ein. Vertreter des Unternehmens blieben außen vor. Die Empfehlungen aus dem Gutachten müsse Shell nun rasch umsetzen, so Kehrl in einer anschließenden Mitteilung. Die Bezirksregierung solle eine entsprechende Verfügung erlassen. Ob damit ein früheres Enddatum gesetzt wird, blieb offen. »Wir begleiten Shell kritisch, aber konstruktiv, insbesondere bei der Transformation zum Wasserstoff, um den Standort und die Arbeitsplätze vor Ort langfristig zu erhalten«, schreibt Kehrl.