Als Betonpfeiler noch in die Zukunft wiesen: historischer Autobahnbau, © Paolo Pellegrin / Magnum Photos

Fließräume

Das Museum Morsbroich zeigt die Ästheti­sierung von Verkehr und Infrastruktur

Heute undenkbar: Eine Stadt schmückt sich in ihrem Imageflyer stolz mit der Luftaufnahme eines Autobahnkreuzes. So geschehen 1969. Und ausgerechnet Leverkusen! Dort wo einem der Verkehrskollaps, das Desaster um die Rheinbrücke und der Streit um den Ausbau von A1 und A3 nur so um die Ohren fliegen, verfiel man einst den Verheißungen von Automobilität, Fortschritt und internationaler Anbindung.

Der erste Teil der Ausstellung »From A to B« im Museum Morsbroich handelt von der Faszination, die von Straßen und Highways ausgeht. Den imposanten Auftakt bildet eine Videoinstallation mit 100 Bildern aus dem Archiv der Agentur Magnum. Sie ergeben ein weltweites Panorama von Straßenansichten aus den Jahren 1952 bis heute. Was wohl aus den »Freeways« in Los Angeles wird, wenn sie nicht mehr befahren werden, fragt Catherine Opie in ihren gleichnamigen Schwarzweiß-Miniaturen im nächsten Raum. Sie verwandelt die monumentalen Betonanlagen zu kostenbaren Relikten, die an preziöse Aufnahmen von Pyramiden im 19. Jahrhundert erinnern. Sue Barr inszeniert spektakuläre, norditalienische Autobahntrassen als erhabene Bauwerke vor bewegtem Himmel. Hier können sich Mensch und Natur nur noch unterordnen. Auch Uschi Huber nimmt einen Perspektivwechsel vor und erkundet Autobahnen, Rastplätze und Auffahrten zu Fuß. Wenn diese ihrer Funktion beraubt sind, bleiben nur trostlose Asphaltflächen mit sinnfreien Schildermasten und öder Restvegetation.

Nach behutsamen Annäherungen an das Bauwerk Autobahn untersuchen die Künstler*innen im Obergeschoss, wie es aussieht, wenn das Bild der Landschaft nicht mehr durch menschliches Sehen, sondern durch eine Datenbank geprägt wird und das Surfen im Netz die Fahrt auf der Straße ersetzt. So zeigt Clement Valla eine Wandtapete aus Google-Earth-Bildern mit verzerrten und abgeknickten Straßen und Brücken. James Bridle visualisiert die Vielzahl an Informationen, die von den Sensoren eines selbstfahrenden Auto geliefert werden und Henrik Spohler fotografiert Serverräume, »die Rückseite der Informationsgesellschaft«, wie er sagt. An die Stelle der Vorwärtsbewegung auf herkömmlichen Straßen — Sinnbild des linearen Denkens — ist die Digitalisierung mit ihrem Nebeneinander von Datenströmen getreten, die eine Orientierung deutlich erschwert.

Möglich, dass man sich am Ende des Rundgangs, den berühmten Song von Kraftwerk im Kopf, fast zurücksehnt nach der Monotonie der guten alten Straße, wie sie der »Autobahn-Kopf« von Thomas Bayrle so treffend vorführt.

»From A to B«, Museum Morsbroich, Gustav-Heinemann-Str. 80, Leverkusen, bis 7.3. museum-morsbroich.de

Begleitend zur Ausstellung gibt es auch einen Podcast, ein Künstlergespräch und einen Vortrag.