Fakten schaffen: Baustelle am Waidmarkt

War was?

Zwölf Jahre nach dem Archiveinsturz ist immer noch nicht klar, wie der Unglücksort künftig aussehen soll

Fast vierzig Meter ragt das Bauwerk am Waidmarkt in die Tiefe. Dort untersuchten Taucher über Jahre eine Schlitzwand. Sie hofften, Beweise für die Ursache des Archiveinsturzes zu finden. Inzwischen ist klar: Pfusch beim U-Bahnbau führte 2009 zum Einsturz des Historischen Archivs. Nach langem Rechtsstreit schlossen Baufirmen und Stadt Köln im vergangenen Sommer einen Vergleich. Nun wird die Baustelle saniert, damit die U-Bahn weitergebaut werden kann.

Manche sehen den Arbeiten mit gemischten Gefühlen zu. »Der Krater und das Besichtigungsbauwerk sind zeitgeschichtliche Dokumente der Ereignisse und unverzichtbare Bestandteile einer künftigen Planung«, sagt Günter Otten von Archivkomplex. Die Initiative aus Künstlerinnen und Bürgern setzt sich für eine kritische Aufarbeitung des Einsturzes ein und pocht auf angemessenen Umgang mit dem Ort der Katastrophe. Seit Jahren führt man Gespräche mit Vertreterinnen der Stadtverwaltung. OB Henriette Reker kündigte an, eine Projektgruppe in der Verwaltung einzurichten. Diese soll »schnellstmöglich« eingerichtet werden, so eine Stadtsprecherin. Zuletzt seien die Gespräche aber frustrierend verlaufen. Das Amt für Stadtbahn, Tunnel und Brückenbau etwa erkennt im Besichtigungsbauwerk keinen Wert. Es seien »keine Elemente vorhanden, die dem interessierten Bürger eine verständliche Adaption der Vorgänge 2009–2020 erlauben würden bzw. einen Wert als Erinnerung haben«. Ein einzelnes Amt könne das kaum festlegen, so Archivkomplex. »Das Besichtigungsbauwerk ist ein Bodendenkmal, das den Menschen zugänglich gemacht werden muss«, findet Otten. Er fürchtet, dass mit der Sanierung Fakten geschaffen werden — zumal hinter drei Meter hohen Lärmschutzwänden gearbeitet wird. Die Forderung, wenigstens Sichtschlitze anzubringen, lehnte die KVB ab.

Am gravierendsten war für Otten die Aussage des Stadtplanungsamts, dass nach einem Wettbewerb zur städtebaulichen Entwicklung des Georgsquartiers kein weiterer Wettbewerb für das Gesamtquartier geplant sei. Das Amt missachte frühere Aussagen Rekers sowie des Baudezernats, klagen die Mitglieder der Initiative. Der Wettbewerb 2012 sah für das Archivgelände eine Blockrandbebauung und einen »Gedenkgarten« vor. Man wolle städtebauliche »Einzelaspekte« durchaus weiter vertiefen, heißt es beim Stadtplanungsamt. Allerdings: »Es wird kein Anlass gesehen, die Ergebnisse des vorliegenden Wettbewerbsergebnisses grundsätzlich infrage zu stellen.« Die Chance auf einen besonderen Ort werde durch eine »banale Block­randbebauung« verspielt, so Otten.