Mit Schirm, Charme und Regie-Zepter: Denis Moschitto, Foto: Christian Amouzou

»Liebesszenen fühlen sich falsch an«

Denis Moschitto über seine Arbeit als Schauspieler und sein Regie-Debüt in der Pandemie

Herr Moschitto, wie haben Sie die letzten Monate verbracht?

Größtenteils mit Schauspielen. In der Film- und Fernsehbranche wurde meines Erachtens vergleichsweise viel gearbeitet.


Wie kann man sich das konkret vorstellen?

Kurz bevor Corona losging, habe ich bei einem Debüt-Film mitgewirkt: »Die Zukunft ist ein einsamer Ort«. Die Arbeit daran mussten wir nach zwei Wochen abbrechen. Aber sobald möglich, wurden die Dreharbeiten wieder aufgenommen. Wir gehörten zu den ersten Produktionen überhaupt, die fortgesetzt wurden. Es gab angepasste Maßnahmen wie Maskenpflicht und Tests vor jedem Drehtag. Das war ein erfolgreicher Versuch, der den Ton für die ganze Branche vorgegeben hat.


Wo viel geschaut wird, muss auch viel gedreht werden?

Das stimmt. Die Streamingplattformen haben reichlich produzieren lassen. Ich habe etwa bei dem Format »KBV — Keine Besonderen Vorkommnisse« für TV Now an der Seite von Rocko Schamoni gedreht. Gerade bin ich bei einem Film dabei, danach kommt eine weitere Serie. Ich habe glücklicherweise gut zu tun.


Schauspielen ist sowohl Kunst als auch Handwerk. Beeinträchtigen die Maßnahmen Sie bei der Ausübung?

Die Maßnahmen ermöglichen es uns zu drehen. Ich weiß, dass jede Person, der ich während des Drehs näher als zwei Meter komme, getestet ist. Genauso wie ich. Das wird eisenhart durchgezogen. Aber natürlich kommt man an Grenzen: Kurz nachdem wir wieder ans Set durften, musste ich eine Liebesszene spielen. Die hat sich falsch angefühlt. Der Rest kommt mir relativ normal vor.


Ich könnte mir aber vorstellen, dass bei Dreharbeiten wenn möglich auf Komparsen verzichtet wird?

Tatsächlich werden Bücher umgeschrieben und auf ihre Corona-Tauglichkeit getestet. Man muss sich jetzt etwas einfallen lassen. Beim Buch zu meinem geplanten Regie-Debüt »Schock« überlegen Ko-Autor und -Regisseur Daniel Siegel und ich derzeit, wie es sich zur Pandemie verhält. Ob die Geschichte vorher oder nachher spielt — und was das für die Handlung bedeutet.


Sie haben gerade eine Förderung der Film- und Medienstiftung NRW bekommen, um »Schock« zu realisieren. Schon vorher gab es eine Förderung für das Drehbuch, richtig?

Genau. Eine Förderung, die es  dir erlaubt, das Buch aus dem Planungsstadium in eine Arbeitsfassung zu versetzen. Die Förderung ist nötig, weil man ja drei Jahre an diesem Prozess arbeitet. Ein Jahr Auszeit habe ich mir genommen, nur um an dem Buch zu arbeiten.


Was war ausschlaggebend für diese Konzentration: Die spezielle Geschichte oder der Wunsch, nach Jahren vor der Kamera die Seite zu wechseln?

Erstens hat mich Regie immer interessiert. Das liegt daran, dass ich jahrelang Erfahrungen gemacht habe und es einiges gab, das mich gestört hat. Gerade bei männlichen Regisseuren — bei Frauen passiert das seltener — herrscht diese Vorstellung: »Ich sag dir, was du zu machen hast!« Schauspielen als »Malen nach Zahlen«. Ich denke, dass ich in der Arbeit mit Schauspieler*innen — aber auch mit dem Rest der Crew — besser arbeiten kann. Hinhören, Vorschläge annehmen, Filme zusammen entwickeln. Das sind ja Menschen, die ihren Beruf teilweise schon sehr lange ausüben, Kreativität, Wissen und Ideen haben.


Haben Sie Vorbilder?

Ja, zum Beispiel den österreichischen Schauspieler und Regisseur Josef Hader, den ich beim Dreh zu »Wilde Maus« kennen lernen durfte. Josef ist nicht nur ein sehr guter Mensch sondern jemand, der einen ernst nimmt und schätzt. Eine Anekdote: Ich erzählte ihm nach einem Drehtag beim Bier, warum ich Vegetarier bin. Er hatte gebohrt und wollte es genau wissen. Schnell erwischte ich mich beim Monologisieren über Tierwohl und wie man mit Leben umgehen sollte. Am nächsten Tag drückte er mir einen neuen Text in die Hand. Darin stand, was ich ihm am Vorabend erzählt hatte. Da weiß man, der hört einem zu.


Was war der zweite Grund für den Wechsel vom Schauspielen zur Regie?

Es klingt abgedroschen, aber ich bin einfach Filmfan, speziell Genrefilme gefallen mir. Und ich habe das Gefühl, dass gerade der Genrefilm in Deutschland zu kurz kommt. Es gibt einige wenige geglückte Versuche. Häufig versucht man, amerikanische Vorbilder zu kopieren, das geht selten gut. Gerade im Gangster-Genre, zu dem ich »Schock« zählen würde, gibt es so viel Pose und Möchtegern-Coolness. Alle wollen auf Tarantino machen. Dabei haben wir skandinavische Vorbilder, wie die »Pusher«-Trilogie von Winding Refn. Die erzählen Welten, die ich glaubhaft finde. Und das ist ganz wichtig für mich.


Welche Welt erzählen Sie in »Schock«?

Wir versuchen darzustellen, dass es auch Kriminalität in Deutschland gibt. Und wir kommen dahin mit einer Figur, einem Arzt, der seine Approbation verloren hat und nun sein Geld verdient, indem er Leute im Untergrund behandelt. Da sind eben auch Prostituierte und Kriminelle dabei. Er gerät zwischen zwei Fronten, und wir schauen zu, wie er sich verhält.


Die Geschichte erinnert streckenweise an den letztjährigen Netflix-Hit »Uncut Gems«.…

Ja, da gibt es Parallelen. Figuren, die an der Grenze zur Kriminalität agieren, reingeraten, nicht aufhören können. Die machen dann immer weiter. Das ist ein Superstoff, weil man einfach hinschauen muss — selbst wenn man als Zuschauer dasitzt und dem Typen zurufen möchte: »Jetzt hör doch endlich auf!«

 

Denis Moschitto

Der 1977 geborene Bickendorfer, der auch heute noch in Köln lebt, spielte unter anderem den DAF-Frontmann Gabi Delgado in »Verschwende deine Jugend« (2003), Murat Kurnaz in »Deutschland 09 — 13 kurze Filme zur Lage der Nation« (2009), einen Anwalt in Fatih Akıns NSU-Film »Aus dem Nichts« (2017). Nach mehr als 20 Jahren als Schauspieler gibt er nun gemeinsam mit Daniel Siegel das Regie-Debüt. Auch das Drehbuch von »Schock« haben die beiden geschrieben.