Filmhistorische Pracht: »Der letzte Mohikaner«

Göttliches Werk

Filmgeschichte für Zuhause

Eines der aufregendsten Kapitel der Kölner Kinogeschichte ist dank der Filmjuwelen-Reihe für den Heimmedienmarkt weitreichend verfügbar: die Produktionen der hier ansässigen International Germania Film GmbH. Diese umgab stets ein Hauch des Geheimnisvollen, munkelte man doch, dass sie eine Opus-Dei-Geldwaschanlage sei. Wie tief die Firma in Spanien verankert war, zeigt zumindest, dass für mehr als die Hälfte ihrer Produktionen spanische Regis­seur*innen zeichnen — von denen einige zu den Granden des Genrekinos zählen. Allen voran Eugenio Martín, der mit drei Werken Einblick in seine Temperaments-Bandbreite gewährt: Zunächst mit einer würzigen Piraten-Pistole, »Unter der Flagge der Freibeuter« (1961), dann mit einem kühl-entspannten Thriller ums Boxen und Bauchreden, »Nur tote Zeugen schweigen« (1962), schließlich mit einem rüden Amazonas-Abenteuer-Reißer »Die goldene Göttin vom Rio Beni« (1964). Das einzige Germania-Kerngeschäftsgenre, das Eugenio Martín nicht bediente, war der Western — um den kümmerten sich vor allem die Gebrüder Alfonso und Jaime Jesús Balcázar, deren Werke hier leider noch nicht auf DVD/Blu-Ray verfügbar sind. Dafür gibt es aber Harald Reinls »Der letzte Mohikaner« (1965). Der ist nicht nur prächtig anzuschauen, sondern auch filmhistorisch bemerkenswert. Als Schnittpunkt der Karl May-Ästhetik mit der des spanischen Westerns. Dieser wiederum wird ja gerne in einem Zug mit dem italienischen diskutiert, stellt aber eine ganz eigene gestalterische Linie dar. Zuvor inszenierte Reinl mit »Der Teppich des Grauens« (1962) für die Germania eine ihrer zwei Louis Weinert-Wilton-Adaptionen. Schön, aber auch sehr nach Plan. Was man von dem im Jahr darauf entstandenen »Das Geheimnis der schwarzen Witwe« (1963) wahrlich nicht behaup­ten kann. Hier tobte sich der lange Zeit auch von mir schlimm unterschätzte Freigeist Franz Josef Gottlieb kräftig aus, huldigte haltlos seiner Vision vom Kino als Möglichkeits-Medium. Hier geht alles, schließ­lich ist ja alles nur ein Film. Und wahrlich, mehr Kino war selten als in der krass enthemmten Performance des unvergleichlichen Otto Wilhelm Fischer…! Zum Schluss noch eine Verbeugung vor zwei Genies: Vittorio Cottafavi, dem die Germania mit »Die 100 Ritter« (1965) seinen größten, großzügigsten, nobelsten und leider auch letzten Kinofilm produzierte. Sowie Julio Coll, dessen »6 Pistolen jagen Professor Z.«(1966) erahnen lässt, was für ein Großmeister des Film noir er war.

Die in der Filmjuwelen-Reihe erhältlichen Werke finden sich unter alive-ag.de oder fernsehjuwelen.de/newsletter.html