Julia Boxler, »Bye bye Baby« (2018), Filmstill | courtesy: the artist

Impuls des Weglaufens

»Вокзал для двоих. Bahnhof für zwei« verwandelt den PiK in eine Bahnhofshalle

Das »PiK«, der Projektraum im Kunstwerk in Deutz, eines der ältesten Atelierhäuser Deutschlands, verwandelt sich im April in eine Bahnhofshalle. Eine Station, gelegen zwischen den ehemaligen Produktionsstätten der ersten Viertaktmotoren — heute im Begriff großer baulicher und gentrifizierender Veränderungen — und der Kölnmesse, dem Transitort für Waren, Kunst und Kuriositäten — und Heimat der Art Cologne. In der vierwöchigen Performance- und Film-Reihe wird die ehemalige Gummifädenfabrik zu einer Zuflucht, einem Ort des Verweilens, des Kommen, Hineinspähens und Wiederkehrens. Eine Art inszenierter, interaktiver Screening-Raum.

Als freie Kuratorinnen widmen sich Elena Malzew und Lisa Klosterkötter Projekten, die zwischen Institutionen, freier Szene und dem öffentlichen Raum vermitteln und aus der Zusammenarbeit mit Künstlerinnen und Künstlern entstehen. Während sich viele Ereignisse in der Kunstwelt pandemiebedingt verschieben und auf sich warten lassen, realisieren sie ein Programm, das dem Impuls des Weglaufens folgt. Sie laden Positionen ein, die mit zeitbasierten Medien und Bewegung arbeiten: durch Filme, die in Schleifen laufen und nomadische Performances werden Motive, Symboliken und Bedeutungen des Ausreißens, im Inneren wie im Äußeren, untersucht.

Wohin läuft man und warum? Welchen Hindernissen, Träumen und Hoffnungen begegnet man unterwegs? Ist es die Flucht vor politischer, ökonomischer oder ökologischer Gewalt, oder sind es die Auseinandersetzungen mit der Vergangenheit, die zur Bewegung drängen? Das Spannungsfeld ist groß: Wie manche vor sich selbst weglaufen und sich in Parallelwelten flüchten, sind andere gezwungen, ihre Umstände zu verlassen und einer besseren Zukunft entgegen zu streben.

Ausgangspunkt des Projektes ist der Filmklassiker »Вокзал для двоих. Bahnhof für zwei« (1983) von Eldar Rjasanow mit seiner surrealen Endszene: In einer traumartigen Schneelandschaft rutschen die beiden Hauptcharaktere Platon und Vera auf einem vereisten Weg in Richtung des Gefangenenlagers, in dem Platon eine Haftstrafe erfüllen muss. Sie laufen auf seine Gefangenschaft zu, die sich sonst verlängern würde. Ein Paradox, in dem sich die Aktualität der Szene offenbart und das Potential, diese in ihrer Vielschichtigkeit zu erkunden: Eine Konfrontation mit dem Schicksal, in der Rastlosigkeiten einer Einschränkung der Bewegung gegenübergestellt sind.

PiK — Projektraum im KunstWerk, Deutz-Mülheimer Straße 127, 24.4.–15.5., für coronabedingte Änderungen des Programms siehe projektraum imkunstwerk.tumblr.com