Auf dem Rennbahngelände müßte noch viel mehr für uns alle drin sein.

Im Galopp zur Sanierung

Auf dem Rennbahngelände in Weidenpesch vergammelt eine der ältesten Fußball­tribünen Deutschlands. Jetzt soll sie saniert — und vor allem wieder genutzt werden

Wenn in Köln ein Fußballspiel von Rang und Namen stattfand, dann spielte man in Weidenpesch. Das Stadion im Weidenpescher Park, gleich neben der Pferderennbahn, war Anfang des 20. Jahrhunderts eins der bedeutendsten des Landes. Zweimal fanden hier Endspiele um die Deutsche Meisterschaft statt. Und fast ein Jahrhundert lang, von 1903 bis 2002, war das alte Stadion Schauplatz der Heimspiele des VfL Köln 99, der wiederum der älteste und lange Zeit auch der erfolgreichste Fußballklub der Stadt war. Erst nach dem zweiten Weltkrieg entstanden drei Kölner Vereine neu, allesamt durch Fusion bestehender Klubs: Der 1. FC Köln, Fortuna und Viktoria Köln. Der VfL geriet ins Hintertreffen und dümpelt heute in der Kreisliga B herum.

Wo früher 16.000 Menschen die Spiele des VfL verfolgten, parken heute LKW und Pferdetransporter. Allein eine Fußballtribüne ist noch übrig, sie gilt als älteste erhaltene in Deutschland. Seit der VfL Köln 99 im Jahr 2002 in ein neu gebautes Sportzentrum zog, verfällt die Konstruktion aus Holz und Stahl. Kurz nach dem Umzug diente sie noch als Kulisse im Film »Das Wunder von Bern«. Heute ist die Tribüne vor allem als lost place berühmt, als Attraktion für Menschen, die gerne Ruinen aufsuchen und fotografieren. Die Wände sind mit Grafittis überzogen, Fensterscheiben kaputt, Gestrüpp überwuchert die Anlage.

Doch nun soll die Tribüne gerettet werden. Anfang Februar beschloss der Rat, dass die Stadtverwaltung noch in diesem Jahr ein Sanierungskonzept vorlegen soll — in Zusammenarbeit mit dem Rennverein, der als Erbpachtnehmer eigentlich dazu verpflichtet ist, die denkmalgeschützte Tribüne instand zu halten. Gemeinsam sollen sie auch prüfen, ob Zuschüsse von Land oder Bund möglich sind. Die Initiative zum Ratsbeschluss ging von der Bezirksvertretung Nippes aus, wo seit dem vergangenen Herbst ein neues Bündnis aus Grünen, GUT, Klimafreunden, Linkspartei und FDP regiert. Die Tribüne zu retten, hatte sich das Bündnis schon im Kooperationsvertrag vorgenommen. »Wenn nur die Tribüne saniert wird, aber auf dem früheren Fußballplatz weiterhin LKW parken, dann wird die bald wieder kaputt gemacht«, sagt Diana Siebert, grüne Bezirksbürgermeisterin von Nippes. »Deshalb soll auch der Platz selbst wieder genutzt werden.« Ein Beachvolleyballverein habe bereits ein Konzept vorgelegt.

Auch »nichtlaute« Kulturveranstaltungen könnten hier unter freiem Himmel stattfinden; zudem schlug Horst ­Broich von der Wählergruppe GUT vor, die Tribüne zur »Tribühne« zu machen, mit Publikum auf dem Ascheplatz. »Tanz, Sport, Kultur, es fehlt an solchen Möglichkeiten hier im Bezirk. Wir brauchen so was«, sagt Broich. Auch beim Denkmalschutz sieht man die Überlegungen mit Wohlwollen: »Ein Denkmal kann nur überleben, wenn es einer sinnvollen Nutzung zugeführt wird«, sagt Stadtkonservator Thomas Werner. Wenn dafür Umbauten nötig seien, werde man diese, sofern denkmalgerecht, auch genehmigen.

Der Vorstoß aus Nippes ist nicht der erste Versuch, die Tribüne zu retten. In der Bezirksvertretung gab es mehrmals Beschlüsse, den Rennverein an die Sanierung der Tribüne zu »erinnern«; Runde Tische mit Rennverein und Denkmalschutz sollten einberufen werden. Auch Bürgerinnen und Bürger aus dem Viertel wollten die Sportstätte retten und dazu eine Stiftung gründen. Doch die groß angelegte Rettungsinitiative »Altes Stadion« verlief im vergangenen Jahr im Sand. Auch im Bürgerhaushalt wurde der Vorschlag eingebracht, die Tribüne zu retten, und Stadtkonservator Thomas Werner wollte das Bauwerk sogar schon ins LVR-Freilichtmuseum Kommern versetzen lassen. Doch dort wollte man sie nicht haben.

Fragt man nach Schuldigen, wird stets auf den chronisch in Geldnöten steckenden Rennverein verwiesen. Im Jahr 2008, der Verein stand kurz vor der Pleite, beschloss der Rat, das gesamte Gelände für 15 Mio. Euro abzukaufen und an den Rennverein zu verpachten. Nach wie vor ist dieser als Erbpachtnehmer aber dafür verantwortlich, die Denkmäler auf dem Gelände instandzuhalten. Dabei geht es nicht nur um die Fußballtribüne. Die gesamte Galopprennbahn mit zwei weiteren Tribünen in Eisenkonstruktion, historischen Fachwerkgebäuden und die Grünanlagen stehen unter Denkmalschutz. Damit der Verein all das instand halten kann, steckt ihm die Stadt jährlich 300.000 Euro zu. In die Fußballtribüne ist davon bisher aber kaum etwas geflossen.

»Unser Fokus liegt auf dem Erhalt und der Instandsetzung der anderen denkmalgeschützten Gebäude auf dem Gelände der Rennbahn, die von uns für verschiedene Veranstaltungen ganzjährig genutzt werden. Um die Fußballtribüne haben wir uns nie beworben«, so Philipp Hein, Geschäftsführer des Rennvereins. Er sieht den Verein als »Buhmann, auf den permanent Druck von Bürgerinitiativen, Kunsthistorikern und Anwohnern« ausgeübt werde. Für ihn stehen Fragen der Wirtschaftlichkeit im Vordergrund, »nicht Fußballromantik«. Durch die Corona-Pandemie habe man enorme Verluste gemacht. Wenn ein finanziell tragfähiges Konzept gefunden werde, werde man aber konstruktiv mitarbeiten. Hein sieht Politik und Verwaltung in der Verantwortung, Ideen zu entwickeln. »Der Rennverein sitzt nur auf dem Beifahrersitz.«

Begeisterung klingt anders. Konkrete finanzielle Zusagen stehen nicht im Ratsbeschluss. Ohne externe Fördermittel wird es kaum gehen, zumal der städtische Haushalt durch die Corona-Pandemie stark belastet ist. Dennoch sind viele zuversichtlich, dass es dieses Jahr mit der Tribüne vorangeht. »Wir haben zum ersten Mal einen Beschluss des Stadtrats«, sagt die Nippeser Bezirksbürgermeisterin Diana Siebert. Darin wird der Rennverein auch verpflichtet, Rechenschaft über die ­Verwendung der städtischen Zuschüsse abzulegen. Verwaltung und Verein müssen außerdem die Verkehrssicherheit bis zur Sanierung garantieren, damit die Tribüne nicht noch weiter verfällt. »Im Dialog zwischen Rennbahnverein, Verwaltung, Politik und Bürgerschaft wird man in ­diesem Jahr beim Erhalt der Tribüne einen großen Schritt vorankommen«, glaubt Stadtkonservator Thomas Werner. Allerdings müsse der Rennverein auch zulassen, dass auf dem Gelände andere Veranstaltungen als nur seine eigenen stattfinden. Die Kosten für eine Generalsanierung der ­Tribüne seien zudem relativ überschaubar. »Das ist keine komplexe Instandsetzung, die zig Millionen verschlingen kann.«

Nicht nur Veranstaltungsorte für Kultur, auch Sport­flächen sind in Köln rar. Doch ein Großteil des 55 Hektar großen Weidenpescher Parks steht der Öffentlichkeit nur während kommerzieller Veranstaltungen des Rennvereins offen. Diese Situation sei im Grunde nicht mehr zeitgemäß, findet Bezirksbürgermeisterin Diana Siebert. Zwar sei das Ganze historisch so gewachsen. Zuerst kam 1898 die Pferderennbahn, erst dann die Weidenpescher Wohnhäuser. »Heutzutage fällt auf, dass auch auf dem  Rennbahngelände in Sachen Artenvielfalt, Klimaschutz und — seit der Pandemie besonders auffällig — Erholung für uns alle noch sehr viel mehr drin sein müsste.« Eine neue Nutzung des alten Fußballstadions wäre ein erster Schritt, das riesige Gelände zu öffnen.