Fluss mit P
»Man sollte ohnehin nicht im Rhein schwimmen, aber mittlerweile würde ich auch nicht mehr im Rhein schwimmen wollen«, sagt Daniela Herrmann. Im vergangenen Herbst war die Campaignerin von Greenpeace Deutschland mit dem Forschungsschiff Beluga II drei Wochen lang auf dem Rhein unterwegs. Zwischen Duisburg und Koblenz nahm die Umweltorganisation Wasserproben, um herauszufinden, wie viel sogenanntes primäres Mikroplastik im Rhein schwimmt, das mit bloßem Auge kaum oder gar nicht zu sehen ist. Selbst die größten Partikel sind nur wenige Millimeter klein. Mikroplastik gelangt in die Nahrungskette, wenn Tiere es aufnehmen.
Greenpeace entdeckte, dass in jeder der über 250 Wasserproben, die man aus dem Rhein entnahm, Mikroplastik war. Auch in zwei 24-Stunden-Probereihen, bei denen in der Nähe der Industrieparks Krefeld-Uerdingen und Dormagen jeweils einen Tag stündlich Wasserproben entnommen wurden, fand sich Kleinstplastik in jeder Messung. »Es gibt keine Zeit am Tag, in der kein Mikroplastik im Rhein schwimmt«, so Herrmann. »Das ist beängstigend. Es zeigt, wie verschmutzt der Rhein dauerhaft ist.« Die höchste Konzentration in einer einzelnen Probe stellte Greenpeace in Köln fest — nach einem Starkregen zwischen Deutzer Brücke und Hohenzollernbrücke. »Wir gehen davon aus, dass Regen die Verunreinigungen in den Rhein einträgt«, sagt Herrmann. Aus der Sicht von Greenpeace geht von Mikroplastik in fließenden Gewässern eine besondere Gefahr aus. »Das Problem bei Flüssen wie dem Rhein ist: Alles, was man dort an Mikroplastik findet, wird in Richtung Nordsee gespült. Man kann nicht sagen, wo einzelne Partikel am Ende Mensch und Umwelt schaden.«
Die Umweltorganisation fordert, dass mehr unternommen wird, um zu verhindern, dass Mikroplastik in fließende Gewässer wie den Rhein eingetragen wird. Aber wie kommen die kleinen Kunststoffe überhaupt ins Wasser? »Wir haben einige Annahme, etwa dass die Partikel durch industrielle Prozesse oder Abwasser in den Rhein gelangen«, sagt Herrmann. So fand Greenpeace etwa an der Kaimauer in Niehl, einem Umschlagplatz für Kunststoffprodukte, der von mehreren Unter nehmen genutzt wird, Granulate von Mikroplastik. Greenpeace geht davon aus, dass Granulate beim Transport oder Verladen verloren gehen. »Wir wollen niemandem Fahrlässigkeit unterstellen, aber man sollte sicherstellen, dass das gerade in Ufernähe nicht passieren kann.«
Ein Appell, der sich nicht nur an die Industrie richtet. »Kommunen sollten sicherstellen, dass sie sich nicht mitschuldig machen, und den Ursachen nachgehen«, so Herrmann. »Erst recht in einer Stadt wie Köln, für die der Rhein auch einen symbolischen Wert hat.« Die zuständige Stelle in Köln ist die Bezirksregierung. Zwar führe man selbst keine Messungen durch, weil es keine anerkannten und zugelassenen Messverfahren und auch keine Grenzwerte gebe, teilt die Behörde mit. Doch habe man schon in den vergangenen Jahren den Dialog mit Unternehmen aufgenommen. »In Kürze wird die Bezirksregierung Köln geeignete Probeannahmestellen von Einleitungen an Standorten mit Kunststoffproduktionen zur konkreten Quellen- und Ursachenermittlung festlegen.« Hierzu werde ein Untersuchungsprogramm konzipiert, parallel mit den Kunststoffproduzenten mögliche konkrete Maßnahmen zur Vermeidung von Gewässerverunreinigungen erörtert. Aus Sicht von Daniela Herrmann drängt die Zeit: »Man muss den Hahn zudrehen, bevor die Badewanne irgendwann überläuft.«