»Die Luft war so gut, da dachte ich…«: Noch ein weiter Weg, Foto: Linda Schefferski

»Wir gelten nicht als Berufsausübende«

Abschlussfilme während der Pandemie realisieren? Studierende und Schulen über Schwierigkeiten und Möglichkeiten

Nur wenige Tage trennten Lisa Heldmann im März 2020 von der ersten Klappe zu »Die Luft war so gut, da dachte ich…«. Ein Jahr lang hatte sie im Team an der Vorproduktion ihres Abschlussfilms gearbeitet, eine Crew von gut 100 Leuten versammelt. Dann kamen Corona und der erste Shutdown. Ähnlich erging es ihrer Kommilitonin Basia Napora. Deren Team umfasste zwar nur 21 Menschen, doch die Dreharbeiten zu »Engram« hätten in Polen stattfinden sollen — nun waren die Grenzen geschlossen. Napora investierte nicht nur zwei Jahre Vorbereitung, sondern auch Geld in ihren Diplomfilm, da sie keine Förderung bekommen hat.

Lisa Heldmann und Basia Napora studieren beide an der Kunsthochschule für Medien (KHM) und stehen kurz vorm Diplom. Die künstlerisch-praktischen Arbeiten, die eine Hälfte der Diplomarbeit darstellen, sind für die Studierenden wie eine Visitenkarte für den Berufseinstieg. »Keinen Abschlussfilm zu machen und  etwa nur mit einem Drehbuch abzuschließen, gilt schon fast als Karriere-Selbstmord. Damit vermindern sich die Chancen sehr, als Filmemacher*in Fuß zu fassen«, sagt Heldmann. Darum wartet sie darauf, dass es möglichst ohne Einschränkungen weitergehen kann. »Lange Zeit war es nicht möglich, die Arbeitsplätze an der KHM zu nutzen, und als es wieder ging, nur unter strengen Regeln«, so Heldmann. »Arbeiten im Team war unmöglich.«

Als Einrichtung des Landes NRW muss die KHM nicht nur die Corona-Schutzverordnung des Landes beachten, sondern darüber hinaus die Allgemeinverfügung für NRW-Hochschulen, die regionalen Allgemeinverfügungen von Städten und Landkreisen sowie Vorgaben des Arbeitsschutzes. ­Solveig Klaßen, Prorektorin der KHM, sagt: »Das erfordert viel Kommunikation und extreme Flexibilität von allen Beteiligten, und insbesondere für Filmdrehs gibt es weniger Planungssicherheit.« Klaßen kritisiert zudem, es würden in den Hochschulverordnungen »leider nicht immer im Detail auf die Situation des praxisorientierten Kunsthochschulstudiums eingegangen.«

Die KHM bemüht sich, die Studierenden zu unterstützen. So lässt das Rektorat zwei »Corona-Semester« auf die Regelstudienzeit anrechnen und verlängerte die Fristen für das Diplom. »Unsere Diplombetreuer*innen und das Projektbüro begleiten die Studierenden eng und beraten sie, wie sie ihre Abschlussprojekte unter Corona-Bedingungen umsetzen können«, betont Klaßen.

»Im August oder September gab es von der KHM Hygiene-Regeln, unter denen man hätte arbeiten können«, sagt Lisa Heldmann. »Sie fragten mich, ob ich drehen wolle, aber ich brauche mindestens sechs Wochen, um die Produktion wieder aufzunehmen und alle aus dem Team zurück ins Boot zu holen. Das war einfach zu kurzfristig.« Erschwerend komme hinzu, dass studentische Produktionen zwar die gleichen Auflagen wie professionelle erfül­­len müssen, aber nicht über deren finanzielle Mittel verfügen. »Außerdem gelten wir nicht als Berufsausübende, sondern als Privatpersonen, weshalb für uns die gleichen Coro­na-Regeln wie für alle gelten.« 

Mehr Möglichkeiten hatten bisher Studierende an der Internationalen Filmschule (IFS). In der privaten Einrichtung konnten alle Absolvierenden des vergangenen Jahres ihre Abschlussfilme realisieren, sagt Mascha Albl. Auch sie musste zwar im März 2020 den geplanten Dreh in Österreich absagen, drehte dafür aber im November. »Ende Juni haben wir ein Rahmenkonzept für Dreharbeiten aufgestellt, anhand dessen die Studierenden jeweils individuell an ihr Projekt angepasste Schutzkonzepte entwickeln sollten«, so Miriam Eidinger, Sprecherin der IFS. Albl und ihr Team hatten daraufhin das Konzept einer »Bubble« angewandt: »Wir wurden alle getestet und vor dem Dreh jeweils eine Weile isoliert«, beschreibt sie ihr Vorgehen. »Der Drehort lag abgelegen in den Bergen, und wir waren sehr vorsichtig.« Ohne die Unterstützung der IFS habe sie das nicht umsetzen können, sagt Mascha Albl. Anders als die KHM verfügt die IFS — rechtlich keine Hochschule, sondern eine gemeinnützige GmbH — über finanzielle Mittel, um PCR-Tests, Hygiene-Material und Infektionsschutz-Equipment bereitzustellen.

Die KHM-Studentinnen Basia Napora und Lisa Heldmann haben versucht, das Jahr Leerlauf dennoch zu nutzen. Beide feilten an den Drehbüchern, Napora sammelte außerdem weitere Gelder, um ihr Budget zu vergrößern. »Ich habe kleinere Dinge wie ein Musikvideo gemacht, aber eigentlich bin ich nicht der Typ, der im Lockdown zehn neue Projekte anfängt«, sagt Heldmann. »Mir fehlt der Input, man hat einfach einen sehr begrenzten Erfahrungshorizont.« Etwas Mühe hat es derweil Napora gekostet, ihr Team zusammenzuhalten. Einige Rollen im Cast habe sie schon neu besetzen müssen. »Mir tut es weniger um das Geld leid, eher um die Leute, die schon so viel Mühe ins Projekt gesteckt haben.«

Auch wenn sich Lisa Heldmann mit ihrem Abschlussfilm zuweilen »alleingelassen« fühlte, wie sie sagt, gibt sie der KHM keine Schuld. »Man hat ein enges Verhältnis zu den Lehrenden, es gibt Betreu­er*innen, dort sind alle sehr nett und hilfsbereit«, sagt sie. »Es herrscht einfach ein wahnsinniges Chaos von verschiedenen bürokratischen Apparaten, die einander in die Parade fahren. In deren Schuhen möchte ich auch nicht stecken.« Die Fördersumme, die Heldmann von der Filmstiftung NRW erhalten hat, muss sie 2021 ausgeben. Momentan plant sie, im Juli oder August zu drehen.