Diskussionsbedarf: Veranstalter mit Politikerin

Test fürs Fest

Der Festivalsommer steht in den Startlöchern, aber alle Fragen sind ungeklärt. Parlamentarierin Caren Lay und Vertreter der Festival-Szene haben sich darüber ausgetauscht

Es ist einer dieser moderierten Zoom-Calls, wie man sie im letzten Jahr öfter hat mitverfolgen können. Anstatt den Sprechern adrett gekleidet auf einer Podiumsbühne zuzugucken, kriegt man sie jetzt

im Sweatshirt oder mit Mütze zu sehen, vor der heimischen Regalwand, im Musikstudio oder im Büro sitzend. Das ist die sympathische Seite der Videomeetings. Das Gespräch ist trotzdem ernst, auch wenn das Themenfeld Festivals vielleicht ein gewisses Laisser-faire der Teilnehmer er­warten ließe.

Überraschend nah an der Materie scheint auch die Gastgeberin der Runde, Caren Lay. Die Stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag gibt sich als Fan der Subkultur des Ravens. Sie benutzt das Wort »raven« tatsächlich auffallend oft in ihrem Duktus. Glaubhaft aber deshalb, weil sie das »Parlamentarische Forum Nachtleben und Clubkultur« mit gegründet hat, eine Plattform im Bundestag für die Anliegen der bundesweiten Club- und Festivalszene.

Mit Lay an diesem Abend vernetzt sind Vertreter genau dieser Szene, viele von ihnen Veranstalter, DJs oder eben beides. Alle warten sie gespannt auf die nächsten Ankündigungen der Politik. Viele haben sich irgendwie durch 2020 gerettet und wollen jetzt noch nicht aufgeben, wenigstens diesen Sommer wieder ihrer Arbeit nachgehen zu können.

Martin Eulenhaupt alias Eule ist Vorsitzender des Vereins, der das hippieske »Fusion«-Festival ausrichtet. Das in Deutschland einzigartige, unkommerzielle Festival für elektronische Tanzmusik zählte in vergangenen Jahren bis zu 70.000 Besucher. Eules Team arbeitet weiterhin an einem Weg, eine Fusion 2021 zu ermöglichen. Das einzig mögliche Konzept beruht aus seiner Sicht ganz klar auf dem Einsatz von groß angelegten Teststrecken. Eine »Fusion« über mehrere Tage, da müsste man jeden Besucher zwei Mal negativ testen lassen, um einen sicheren Ort ohne Infektionsgeschehen zu ermöglichen. Dann aber könnten sogar die AHA-Regeln der Freiwilligkeit untergeordnet werden, ein Feiern wie früher inklusive Umarmungen und Engtanz wäre also drin.

Das Festival unter diesen Auflagen allerdings weiter zu planen, ohne eine Ansage seitens der Politik, birgt für alle Involvierten ein enormes finanzielles Risiko. Sollte die Umsetzung am Ende doch an einer Freigabe durch die Politik scheitern, müsse diese dann auch für die anfallenden Stornokosten aufkommen. Eine entsprechende Garantie und vor allem eine Subvention für der eventuellen Tests ist deshalb die Forderung der Organisatoren.

Caren Lay schließt sich dem an: die Feiersubkultur stehe zwar für Exzess, aber eben auch für Solidarität. Ihre Mitglieder hätten sich bis dato besonders verantwortungsvoll verhalten. Und das obwohl, wie ein anderer Gesprächsteilnehmer anmerkt, diese Bevölkerungsgruppe durch die Infektions-Schutz-Maßnahmen in ihrem Alltag mit am stärksten betroffen sei. In einem »sorgfältig ausgewähltem Rahmen« sollte deshalb laut Lay mit einer wirkungsvollen Teststrategie auch gefeiert werden dürfen. Sofern zumindest die dritte Welle nicht bis zum Sommer weiter eskaliere.

Andere Festivals wie die Bucht der Träumer haben ihren Termin später im Sommer und hoffen, sich bei der Fusion etwas abschauen zu können. Auch sie hoffen, im Sommer 2021 dank Tests noch feiern zu dürfen. Aber auch diese Hoffnung kostet Geld im Sinne von Planung und Geländemieten bzw. später erhebliche Einnahmeverluste Aufgrund von Hygienemaßnahmen und Kosten von Schnelltests. Deshalb brauche es Unterstützungsmaßnahmen, die gerade auf die Übernahme solcher Kostenfaktoren abzielten.

Ähnlich formuliert es auch der sogenannte »Brandbrief aus Brandenburg«, den 50 Open Air-Festivals unterschrieben haben. Sie weisen darauf hin, wie wichtig Festivals sowohl für die Wirtschaft als auch die sozialen Strukturen des Bundeslandes sind. Neben den bereits erwähnten Unterstützungsmaßnahmen verlangen sie nach Auskunft über die bereits im Dezember angekündigten Hilfen für Kulturveranstaltungen. Es müsse endlich ein klarer Handlungsrahmen seitens der Politik definiert werden und ein offener Dialog zwischen Politikern und Veranstaltern stattfinden. Außerdem wünscht man sich neben pauschal begrenzten Besucherzahlen eine angemessene, auf Quadratmeter berechnete Grenze.

Caren Lay pflichtet dem bei und nennt die bisherigen Bemühungen der Bundesregierung »nach wie vor unzufriedenstellend«. So wären Hilfsgelder aus dem November teilweise erst Ende März ausgezahlt worden. Für eine Szene, in der viele Solo-Selbständige ohne private Rücklagen arbeiten, eine schwierige Situation. Auch DJ Ruede Hagelstein, zugeschaltet aus dem Musikstudio, kreidet das an. Es zeichne sich derzeit ein »schicksalhaftes Bild« in den Berliner Impfzentren, wo jetzt ein Großteil der sonst im Feier-Kosmos Beschäftigten arbeiten gehe. Die Grundsicherung des Staates funktioniere für diese Gruppe nicht, er selbst müsste zum Beispiel erst mal seine private Altersvorsorge auflösen, um solche Gelder zu erhalten. Seine Verdienstausfälle als DJ durch Auftritte im Ausland könne er nicht geltend machen, und obendrein seien die Hilfsanträge so kompliziert gestaltet, dass selbst der Steuerberater schon verzweifelte.

Ein großer Stein im Weg der Festivals diesen Sommer sei aber besonders die fehlende Kommunikation mit den lokalen Behörden. Denn selbst wenn man auf Bundesebene nun mehr Gehör gefunden habe, braucht es aufgrund der föderalen Strukturen am Ende noch immer die Zustimmung des zuständigen Bürgermeisters.

Deshalb sehen auch die Vertreter der Livekomm, der Verband deutscher Musik-Spielstätten, dem Sommer eher pessimistisch entgegen. Angesichts bevorstehender Wahlkämpfe und steigender Inzidenzzahlen befürchten sie, werden wenige Politiker sich für Kultur-Veranstaltungen starkmachen. Der Verband hat im Februar eine sogenannte Genehmigungsmatrix veröffentlicht, mit der in einem komplexen System aus Maßnahmenkatalog und Kapazitätsgrenzen sichere, an jeweiliges Infektionsgeschehen angepasste Events möglich gemacht werden sollen (siehe die letzte Clubland-Ausgabe).

Diese Matrix sieht für Events mit umfassenden Schnelltests in den meisten Fällen eine maximale Auslastung der Spielstätten vor. Jedoch sei in Deutschland bislang »geschlampt worden, was Teststrategien angeht«. Das bis jetzt größte mit Schnelltests durchgeführte Event war eine Veranstaltung mit 2100 Personen in der Kölner Lanxess-Arena. Die »Fusion« mit 35.000 Besucherinnen und Besuchern, mit denen sie derzeit geplant wird, ist eine ganz andere Größenordnung. Deshalb brauche es jetzt, laut Vertretern der Livekomm bestimmte Ausnahmeverfügungen und Experimentierklauseln auf kommunaler Ebene, damit die Festivals die Möglichkeit beweisen könnten, Events ohne Infektionsgeschehen durchzuführen.

Einig ist man sich jedenfalls, dass Teststrategien schon viel früher hätten diskutiert und erprobt werden müssen. Man habe sie aber zur Verfügung und könnte mit Hilfe der Politik (in Form von Ausfallversicherungen und Subventionsgeldern) auch schon diesen Sommer wieder sicher feiern. Mit Blick auf die kürzlich durch die Schlagzeilen gegangenen Party-Urlauber, die sich anschließend lediglich einige Tage in Quarantäne begeben mussten, wirft abschließend ein Diskussionsteilnehmer noch die Frage in den Raum, warum wir nicht einfach Festival-Besuchern im Inland diese Möglichkeit einräumten? Er jedenfalls nehme gerne ein paar Tage Isolation im Tausch für die »Fusion« auf sich.