Bewegliche Möbel, bewegliches Denken: Das »Büro« ist eingerichtet Foto: Büro für kuratorische Fürsorge und kollektives Experiment

Den Kunstbetrieb kurieren

Ein Kollektiv junger Ausstellungsmacher*innen denkt seine Aufgaben neu

»BÜRO für kuratorische Fürsorge und kollektives Experiment«, das klingt eher nach einer Kulturamtsabteilung als nach einer Künstlergruppe, die über neue Wege in der Kunstwelt nachdenkt. Die doppelgemoppelte Formulierung »kuratorische Fürsorge« hat einen ironischen Anstrich, denn die Aufgabe eines Kurators — vom Lateinischen »curare« — bedeutet »sich kümmern«. Doch weder ist das Anliegen des jungen Kollektivs ironisch gemeint noch will es »das Rad neu erfinden«, betont Jari Ortwig im gemeinsamen Gespräch mit ihren Kolleg*innen Wilko Austermann, Lisa Bensel, Anne Mager, Linda Nadji und Michael Stockhausen.

Die sechs Kunstschaffenden richteten Anfang März ihren »working space« zum Kuratorenförderprogramm im Poller Quartier am Hafens ein, anlässlich dessen 20. Jubiläums. Coronabedingt finden ihre Jours Fixes derzeit online statt. »Arbeitsbedingung und Wertigkeit«, »Hybride Räume kollektiver wie nachhaltiger Resonanzerfahrung« sowie »Lernen und Vermittlung« heißen die Projektetappen, wobei die Chronologie keine Rolle spielt. In der ersten Phase war erst einmal Nachdenken angesagt — unter dem Motto »I prefer not to« und mit entschiedenen Abgrenzungen zu gegebenen Verhältnissen in der Kunst- und Kulturwelt.

Damit variiert das »Büro« jene legendäre Formel »I would prefer not to« aus Herman Melvilles Erzählung, mit der Bartleby, die Hauptfigur, seinen passiven Widerstand am Arbeitsplatz ankündigt. Das Zitat verweist auf das fächerübergreifende Anliegen der Künstlerkuratoren, ähnlich wie die Gästeliste der ersten Projektphase mit Vertretern aus künstlerischen Nachbardisziplinen und der Wissenschaft. Zu diesem Anspruch passt auch die Website-Pinnwand, auf der sich die Mitglieder mit audiovisuellen Beiträgen über hoch interessante kulturelle Sujets austauschen.

Nicht zuletzt richtet sich das »I prefer not to« gegen geniehaft auftretende Kurator*innen sowie die (bereits von früheren Künstlergenerationen hinterfragten) klassischen Ausstellungskonzepte, etwa das Ideal des White Cube in Galerie und Museun.

Ein festes Ziel für ihr Vorhaben lehnt die Gruppe derzeit ab: Man will keine festen Räume besetzen, die kuratierte Kunst muss nicht immer sichtbar sein. Sie zeigt sich temporär und ist gar als Oral History im Austauschformat denkbar.

»BÜRO für kuratorische Fürsorge und kollektives Experiment«, Ausstellungsraum Q18, Quartier am Hafen, Poller Kirchweg 78–90, qah.koeln/de/ oder q18buero.wordpress.com