Kein Spitzenpersonal in Sichtweite: OB Reker bei der Dezernentensuche

Nur noch dieses eine Mal

Der Streit um die Besetzung städtischer Spitzen­posten weitet sich aus. Die bisherige Verfahrensweise war rechtswidrig

Auf dem Papier hatte man sich alles so schön ausgemalt: Grüne und CDU waren sich im Ratsbündnis mit Volt über die Verteilung ihres Einflusses im Stadtvorstand einig. Beide Parteien würden künftig jeweils vier Dezernatsleitungen mit Personen besetzen, die ihnen politisch nahe stehen.

Dafür wurde auch der Zuschnitt geändert, etwa ein Klima-Dezernat geschaffen oder die bisherige Verkehrsdezernentin Andrea Blome auf Wunsch der CDU zur Stadtdirektorin gemacht — ein Amt, das als Startpunkt einer späteren OB-Kandidatur gilt. Die nötige Mehrheit, das alles zu beschließen, hatte man.

Das Vorgehen ist in Köln nicht ungewöhnlich. Die Dezernentinnen und Dezernenten sind »politische Wahlbeamte«, sie müssen nicht überparteilich sein — allerdings gibt es Auflagen. Die Auswahlverfahren sollen transparent sein, und wer daraus als Sieger hervorgeht, muss die fachlichen Qualifikationen mitbringen.

Beides könnte bei Niklas Kienitz nicht der Fall gewesen sein. Der CDU-Fraktionsgeschäftsführer war von seiner Partei schon während der Bündnisverhandlungen als Dezernent für Stadtentwicklung, Wirtschaft und Digitalisierung auserkoren worden — lange, bevor es zur Ausschreibung des hoch dotierten Postens kam. Verwaltungserfahrung hatte der Immobilien-Ökonom nicht vorzuweisen. Stattdessen wurde bekannt, dass er 2018 in die Stadtwerke-Affäre verwickelt war, bei der CDU, SPD und Grüne sich in geheimen Absprachen Einfluss auf städtische Unternehmen sichern wollten. Nach öffentlicher Kritik zog Kienitz, bereits gewählt, entnervt zurück. Die Stelle ist wieder vakant.

Aber auch der bereits gewählte neue Kulturdezernent, Stefan Charles, konnte sein Amt zunächst nicht antreten. Die Linke im Rat hielt das Auswahlverfahren für rechtswidrig, hatte Beschwerde bei der Bezirksregierung gegen die Wahl eingelegt — und bekam nun in Teilen Recht. Die »Einrichtung der Findungskommission in der von der Verwaltung gewählten Form (Teilnahme an Auswahlgesprächen)« war durch den Ratsbeschluss nicht gedeckt, so die Bezirksregierung. Rechtswidrig war auch, dass »nur ein Teil der in dem Rat vertretenen Fraktionen durch die Einbindung der Findungskommission berücksichtigt« wurde.

Dennoch wird Stefan Charles Kulturdezernent — »ausnahmsweise«, wie es in der Begründung heißt. »Im Interesse der Stadt und nicht zuletzt, um eine zügige Besetzung der Stelle mit dem allseits als fachlich qualifiziert angesehenen Bewerber zu ermöglichen.«

Für das Ratsbündnis und OB Henriette Reker, die die Findungskommission immer verteidigt hatten, ist das eine Niederlage. »Unsere Beschwerde ist im Kern erfolgreich«, sagt Güldane Tokyürek, Fraktionschefin der Linken. »Auch wenn die Bezirksregierung ›ausnahmsweise‹ die Wahl nicht beanstandet, müssen OB Reker und ihr schwarz-grünes Bündnis handeln.«

Das wird nun auch Folgen für die Neubesetzung der Dezernatsleitung für Stadtentwicklung, Wirtschaft und Digitalisierung haben. Das Ratsbündnis hatte bereits den Ausschreibungstext beschlossen – eine Findungskommission nur mit Ratsmitgliedern des Bündnisses wird es nicht geben können. 

Nun sieht sich auch Volt, nach dem überraschenden Erfolg bei der Kommunalwahl und der ebenso überraschenden Beteiligung am Mehrheitsbündnis, erstmals mit Klüngel-Vorwürfen konfrontiert. Das bisherige Vorgehen hatte Volt verteidigt. Ratsmitglied Manuel Jeschka sagte noch vor der Entscheidung der Bezirskregierung: »Die Verfahren sind seit zehn Jahren dieselben, sie entsprechen der Gemeindeordnung.« Dem aber hat nun die Bezirksregierung widersprochen, und es geht auch aus einem Leitfaden der Bezirksregierung hervor, der auf der Gemeindeordnung gründet. Darin heißt es unter anderem, eine Kommission sollte »in ihrer Besetzung die Zusammensetzung des Rates abbilden.« Das war nicht der Fall. Noch nicht mal Volt war daran beteiligt. Lediglich das waren CDU und Grüne bereit, bei der Nachbesetzung des Dezernats, das man eigentlich Kienitz zuschustern wollte, zu ändern.

Die Bezirksregierung bringt OB Reker und das Ratsbündnis nun in die Bredouille. Hinzu kommt, dass SPD, Linke und FDP im Rat den Zuschnitt des Dezernats kritisieren. Was haben Stadtentwicklung, Wirtschaft und Digitalisierung gemein, außer dass die Themen auf Kienitz zugeschnitten waren?

Die Satire-Truppe »Die Partei« hatte unlängst einen weitergehenden Vorschlag. Sie forderte zusätzlich noch ein »Dezernat für die Bildung von Dezernaten«.