Wandel, Wandel, Wandel: Jan Pehoviak und Verena Hermelingmeier

»Ein Modell für die gesamte Stadt«

Das Wandelwerk schließt, die Zwischennutzung im ehemaligen Autohaus an der Liebigstraße endet. Jan Pehoviak und Verena Hermelingmeier über kooperative Stadtgestaltung und die Zukunft ihres Projekts

Frau Hermelingmeier, Herr Pehoviak, die Liebigstraße ist kein Viertel, sondern ein Ort des Durchgangs. Waren Sie skeptisch, ob die Leute zu Ihnen finden?

Verena Hermelingmeier: Die Lage war für uns der wichtigste Punkt. Das Quartier ist spannend.

Jan Pehoviak: Dort, wo es viel Laufkundschaft gibt, braucht man keine Quartiersarbeit. Das Viertel steht vor großen Veränderungen.

Quartiersarbeit kennt man von sozialen Trägern. Was bedeutet das für Sie?

Hermelingmeier: Wir wollen die Entwicklung auf zwei Ebenen vorantreiben. Wir hatten im Wandelwerk unter anderem einen gut besuchten Veedels-Stammtisch, Nachbarn, die sich mit Ideen und Wünschen einbringen. Wir sehen aber mit dem Quartier auch auf der politischen Ebene die Chance, ein Modell für die gesamte Stadt voranzutreiben.

Sehen das die Menschen im Quartier auch so?

Hermelingmeier: Das Quartier ist mitten in einer Transformation. Die Frage ist, in welche Richtung es geht. Das Grundstück des Wandelwerks wird mit Wohnungen bebaut und eher nicht für die Zielgruppe, die bislang ansässig ist. Was passiert mit den anderen Flächen? Das muss von allen Seiten gemeinsam beantwortet werden. Das sollen nicht die Stadt und die Eigentümer unter sich ausmachen.

Welchen Begriff haben denn die Anwohner von dem Quartier?

Hermelingmeier: Für die Anwohner ist das nicht bloß ein Zwischenraum. Wenn wir am Anfang vom »spannenden Brachland« gesprochen haben, haben wir ganz schön Gegenwind bekommen. Nicht nur die hier verwurzelte griechische und portugiesische Gemeinde sehen das als eigenständiges Viertel.

Sie hatten keine Berührungsängste mit kommerziellen Nutzungen. Hatten Sie nicht Sorge, dass jemand im Wandelwerk nur einen günstigen Standort für seine Klitsche sieht?

Pehoviak: Wir hatten keine festen Prüfkriterien. Wenn wir woanders weitermachen, wird das sicher eine größere Rolle spielen.

Hermelingmeier: Wir haben aber schon angeschaut, ob das Unternehmen zu uns passt, ob es zu einer sozial-ökologisch nachhaltigen Entwicklung beiträgt. Eine Lastenradlogistik etwa hilft, dass weniger LKW durch die Veedel fahren.

Sie fordern »Raum für bezahlbares Wohnen, Soziales und Kultur, für Grünflächen, alternatives Wirtschaften und Engagement. Orte, an denen Menschen Möglichkeiten finden, ihre Stadt und ihr Veedel eigenverantwortlich zu gestalten«. Wie wollen Sie das erreichen?

Pehoviak: Das Liebigquartier, so nennen wir das Viertel, liegt nah am Zentrum, ist super angebunden und bietet einige der letzten verbleibenden Freiflächen in der Stadt. Hier ließe sich zeigen, wie Köln die Klimaziele erreichen kann. Wir haben OB Reker und dem Vorstandsvorsitzenden der Rheinenergie einen Offenen Brief übergeben, den rund 40 Organisationen gezeichnet haben. Unser Ziel ist kooperative Stadtgestaltung, die nachhaltige Ziele verfolgt.

Zunächst baut aber das niederländische Unternehmen Bpd rund 180 Wohneinheiten auf das Grundstück, darunter wohl hochpreisige Einfamilienhäuser. Wenn Ihnen Investoren mit Tausenden Quadratmetern Eigentum gegenüberstehen, ist das ja keine Stadtentwicklung auf Augenhöhe, oder?

Hermelingmeier: Deshalb fordern wir auch Flächen für unser Netzwerk. Wir müssen diese Energie bündeln, um Schlagkraft zu entwickeln. Hier im Quartier könnte ein Zentrum für Transformation entstehen, wie wir es nennen. Ein Ort, der für die Hoffnung und für Engagement steht. So etwas braucht die Stadt. Und dann kommt dazu, dass ein wichtiger Eigentümer im Gebiet ein städtisches Unternehmen ist: die Rheinenergie. Die haben eine Schlüsselposition, als Wirtschaftsunternehmen, das am Markt aktiv ist, aber auch dem Gemeinwohl verpflichtet ist.

Pehoviak: 2035 wird Köln nicht klimaneutral sein, wenn wir langsam mal auf E-Autos setzen und sonst nichts machen. Wenn wir funktionierende Projekte vorzeigen können, dann wird sich die Politik klar hinter kleinteilige Innovationen stellen. Im Wandelwerk sind die Konzepte dafür entstanden, ganz konkret, realistisch und tragfähig. Wir wollen zeigen, dass sich das auf ein Quartier übertragen lässt.

Was wird aus dem Wandelwerk in der Zwischenzeit?

Hermelingmeier: Wir sind mit Vonovia ins Gespräch gekommen. Dem Wohnungskonzern gehören Häuser in der Nachbarschaft, auch leerstehende Ladenlokale am S-Bahnhof-Nippes. Die können wir haben. Wir wollen als Anlaufstelle bleiben, bis wir wieder eine größere Fläche bespielen können.